Mit der Rückkehr im August 1830 endet Alexander von Humboldts Laufbahn als Weltreisender und Entdecker. Auch wenn ihn seine diplomatischen Aufgaben noch einige Male nach Paris und London führen, lässt sich der 60-Jährige endgültig in Berlin nieder. Die folgenden Jahre widmet er der wissenschaftlichen Ausarbeitung seiner Forschungen und der Zusammenführung der Ergebnisse in seinem Lebenswerk.
Am Anfang von Humboldts Karriere als Forscher stand die Romantik mit ihrer Weltsicht von der Natur als harmonisches Ganzes. Er aber machte sich auf die wissenschaftliche Suche nach den Einzelteilen, die „in dem Besondersten des Organismus das Allgemeine widerspiegeln“. Nun will er endlich sein Lebensziel verwirklichen, mithilfe der Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Phänomenen die Einheit der Natur darzustellen.
Wissenschaftliche Vorlesungen für alle
Noch vor seiner Zentralasien-Reise hält Humboldt vom November 1827 bis April 1828 seine Vorträge über „Physikalische Geographie“. Während die Lesungen in der Berliner Universität ausschließlich seinen Kollegen und Studenten vorbehalten sind, liest er für öffentliches Publikum an der Singakademie. Die 800 Plätze reichen bei weitem nicht aus, alle Zuhörer aufzunehmen. Zu seinen Gästen gehören nicht nur König Friedrich Wilhem IV., Künstler und Poeten, sondern auch Dienstboten und Maurer.
Die Themenliste von Humboldts Vorlesungen liest sich noch heute wie das Vorlesungsverzeichnis der Physischen Geographie: „Vulkanismus, Gebirgsarten, Temperaturzonen der Erde, die Pflanzenformen in den Klimazonen, Winde und Luftdruck“. Er versteht es, selbst schwierige Sachverhalte wie Untersuchungen zur Schallgeschwindigkeit verständlich und spannend zu erklären: „Das berühmte Rennpferd „Eclipse“ legte 58 Fuß in einer Sekunde zurück, was schon einem starken Sturme vergleichbar ist. Dagegen ergibt sich das Resultat der Versuche, welche ich … über die Geschwindigkeit des Schalls angestellt habe, dass derselbe 1.038 Fuß in der Sekunde durchläuft“.
Der Kosmos umfasst alles
Als Humboldt sich 1834 entschließt, die Vorlesung zu einem Buch auszuarbeiten, will er nicht einfach eine Abschrift erstellen, sondern ein umfassendes Universalwerk schaffen. Er übernimmt zwar die Gliederung der Vorträge, fügt aber einige Themen hinzu und ergänzt neueste Forschungsergebnisse. Sein Lebenswerk erscheint unter dem Namen: „Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“. Dem fünfbändigen Werk stellt er in dem ersten Buch ein „Naturgemälde. Allgemeine Übersicht der Erscheinungen“ voran, das vor allem die Verbindung zwischen den einzelnen Themen hervorhebt: „Hier wird nicht nach Vollständigkeit in Aufzählung von Einzelheiten, sondern nach der klaren Entwicklung von leitenden Ideen getrachtet“. In den folgenden vier Bänden vertiefen sich die Betrachtungen bis zum Detail des Polarlichtes als Erdlicht in Folge elektromagnetischer Tätigkeit des Planeten oder über das Granit Gestein am Kolywan-See im Altai.
Gemeinsam mit dem „Kosmos“ sollte der „Physikalische Atlas“ von Heinrich Berghaus erscheinen, der eine große Sammlung von Karten zu Humboldts Buch enthält. Schon aus Südamerika hatte Humboldt seine Daten an Berghaus gesandt, damit dieser daraus Abbildungen und Karten erstellt. Aufgrund von Streitereien der Verleger erscheint der Atlas unabhängig vom „Kosmos“ in zwei Bänden 1845 und 1848.
Humboldt erlebt nicht mehr, wie der letzte Band seines Lebenswerkes 1862 veröffentlicht wird. Bis zu seinem Tod hat der 90-Jährige noch die Forschungsergebnisse aktualisiert und an den Formulierungen gefeilt. Er stirbt am 6. Mai 1859 in seiner Wohnung in Berlin. Dem vom König angeordneten Staatsbegräbnis folgen tausende von Politikern, Wissenschaftlern, Studenten und Bürgern.