Wassertiefe? Ausreichend. Asphalt? Vorhanden. Salzhügel? Überall zu finden. Die Grundvoraussetzungen für den Asphaltvulkanismus sind im Golf von Mexiko gegeben. Doch noch galt es ein entscheidendes Rätsel zu lösen, um das Phänomen schlüssig zu erklären: den Transport des Asphalts aus den Tiefen der Erdkruste zum Meeresboden.
Eine Lösung dafür zu finden bereitete den Wissenschaftlern zunächst einiges Kopfzerbrechen. Wie kann so ein „Aufzug“ für Asphalt aussehen? Schließlich sind unter Umständen Entfernungen von mehreren tausend Metern zu überwinden. Und flüssig bleiben muss der Asphalt auf dem Weg nach oben auch noch.
Bei ihren Überlegungen stießen die Wissenschaftler schließlich im Jahr 2005 auf eine „magische Substanz“, mit der sie alle Vorgänge provokant, aber schlüssig erklären konnten. So genanntes „superkritisches Wasser“, so die Theorie, sollte danach für den kontinuierlichen Asphaltstrom verantwortlich sein. Dieser ungewöhnliche Zustand von Wasser entsteht immer dann, wenn es einem Druck von 300 Bar oder mehr ausgesetzt ist und zudem stark erhitzt wird. Das Wasser kann dann weder kochen noch verdampfen und gerät in einen Zustand, der irgendwo zwischen flüssig und gasförmig angesiedelt ist.
Im Golf von Mexiko und speziell an den Campeche Knolls sind die Bedingungen für die Bildung von „superkritischem Wasser“ mehr als erfüllt. Für den notwendigen Druck sorgen allein schon die 3.300 Meter Wassersäule, die auf dem Meeresboden lasten. Wenn dann Wasser in der Erdkruste noch über Spalten und Risse im Gestein extrem heißem Magma nahe kommt, ist die notwenige Temperatur von 405 °C schnell erreicht.
Superkritisches Wasser…
Das superkritische Wasser besitzt völlig andere Eigenschaften als normales Wasser. Es wiegt nicht nur erheblich weniger, sondern kann auch organisches Material wie Asphalt lösen, mischt sich aber nicht mit anorganischem Material wie Salz. Und was hat das alles mit den Asphaltvulkanen zu tun? Ganz einfach. Die Wissenschaftler vermuten, dass superkritisches Wasser im Salz aufgrund seiner geringen Dichte in speziellen Poren oder Kanälen nach oben drängt. Dabei eist es Asphalt und verschiedene Mineralien aus den Sedimenten los und nimmt diese Substanzen mit auf die Reise nach oben.
Das explosionsartig aufsteigende Gemisch wird dabei vom umgebenden Salz wie von einer Wärmedecke umhüllt und kühlt deshalb kaum ab. Noch im Krater hat es daher genügend Hitze, um den Asphalt weiter flüssig zu halten. Die Folge: Lava-ähnliche Ströme fließen zum Teil Hunderte von Metern die Hänge hinab, bevor der Asphalt im gerade mal vier °C warmen Meerwasser erstarrt. Die flüchtigen Bestandteile – beispielsweise Gase oder leichte Öle – haben das Gemisch dann längst verlassen und steigen in Form kleinen Tröpfchen oder Blasen zur Meeresoberfläche auf.
Dieses Szenario der Wissenschaftler könnte beispielsweise erklären, warum auf Satellitenbildern oft Ölflecken über Asphaltvulkanen und anderen Öl-Seeps zu erkennen sind, die als eine Art „Wegweiser“ dienen. „Wir suchen Asphaltvulkane, indem wir auf Satellitenbildern nach relativ kleinen Ölflecken auf dem Wasser schauen. Diese stammen von Öl, das aus 3.000 Metern Tiefe an die Oberfläche steigt. Finden wir Stellen, an denen sich die Ölflecken über lange Zeit am selben Ort halten, lohnt es sich nachzusehen, ob dieses Öl aus einem Asphaltvulkan aufsteigt.“, so Bohrmann.
Noch einige weitere Indizien sprechen eindeutig für diese Theorie, die der Meeresgeologe und seine Kollegen im Jahr 2005 in der Fachzeitschrift „Eos“ veröffentlichten. So haben Wissenschaftler schon vor einiger Zeit an Schwarzen Rauchern superkritisches Wasser aufgespürt. Die Hypothese erläutert zudem elegant, warum sich die Asphaltströme und die Strukturen der basaltischen Lava auf Hawaii so überraschend ähnlich sehen.
…oder doch kalte Quellen
Erklärung gefunden – Problem gelöst? Keineswegs. Denn echte Beweise für ihre Theorie konnten die Wissenschaftler bislang nicht vorlegen. Und die „Supercritical Water Hypothesis“ ist längst nicht die einzige Erklärung, die Wissenschaftler für das Phänomen der Asphaltvulkane parat haben.
So halten sie es ebenso für möglich, dass es sich bei den Asphalteruptionen nicht um heiße, sondern um kalte Quellen handelt. Damit der Asphalt flüssig bleibt und aus dem Erdinneren aufsteigen kann, müsste dann aber der Anteil an Gasen und Ölen im Gemisch sehr viel höher sein als bisher angenommen.
An der Meeresbodenoberfläche würde es dann mit der Zeit zu einem Ausgasen kommen. Die Gase sammeln sich dabei zunächst in Blasen und treten dann ins Wasser aus. Damit aber verlieren die Asphaltströme ihre Fließfähigkeit und erstarren irgendwann.
Welche ihrer Theorien nun die Richtige ist, wagen die Wissenschaftler bisher nicht vorherzusagen.
Stand: 02.11.2006