Anthropogeographie

Ein neues Image für die Wikinger

Wissenschaftler enträtseln Haithabu und seine Umgebung

Haithabu und sein Umland © WikiTour 2005 / GFDL

All diese Ergebnisse basieren in erster Linie auf der Analyse stabiler Isotope von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff in Knochenfunden. Nicht alle Fragen jedoch konnten die Forscher auf diese Weise beantworten. Denn der Flecken um Haithabu ist ein Brackwasserökosystem mit einer ganzen Reihe ökologischer Nischen, die alle ihre eigene Isotopensignatur aufweisen, was eine eindeutige Zuordnung erschweren oder sogar unmöglich machen kann.

Weil die Bewohner der Siedlung nicht notwendigerweise auf eine ökologische Nische begrenzt waren, kann in den Skelettfunden sogar eine Mischung verschiedener Isotopenprofile vorliegen.

Wolf © USFWS, Gary Kramer

Ergänzende Analysen

Gisela Grupe und ihre Kollegen von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) möchten diesem Problem nun mit ergänzenden Analysen beikommen. Der Zahnschmelz beispielsweise archiviert das Strontium-Isotopenmuster der Gegend, in der ein Individuum seine ersten Jahre verbracht hat. „Das kann uns helfen, das Einzugsgebiet Haithabus zu definieren“, meint LMU-Wissenschaftlerin Grupe. „Wir wollen den Anteil ortsfremder Bewohner und deren Herkunftsgebiet eingrenzen.“

Ähnliche Analysen an Überresten von Tieren sollen Haustierarten von Spezies unterscheiden, die eingeführt wurden, und möglicherweise auch enthüllen, woher sie kamen. Denkbar ist, dass die Einwohner von Haithabu Füchse und Wölfe für den Pelzhandel importiert haben, während sie Schweine und Geflügel als „lebende Fleischreserve“ auf Schiffen hielten. Die Analyse der Schwefel-Isotope in Knochenmaterial schließlich soll zweifelsfrei zeigen, ob die Bewohner Haithabus bevorzugt Meeres- oder Süßwasserfisch aßen.

Forscher rekonstruieren Ökologie und Ökonomie einer Epoche

Grupes mehrjähriges Projekt geht mit den noch ausstehenden Isotopenanalysen in die letzte Phase, doch plant Grupe eine weitere Verlängerung. Auf jeden Fall werde das Team, so sagt sie, „die wohl umfassendste Isotopenanalyse“ vorlegen können, die die Ökologie und Ökonomie einer Epoche in einer hochkomplexen, vom Brackwasser geprägten Umwelt rekonstruiert.

Vor wenigen Jahrzehnten war die Archäometrie noch Pionierarbeit. Heute sind naturwissenschaftliche Methoden aus der Archäologie jedoch nicht mehr wegzudenken. Derart detaillierte und präzise Informationen über das Leben in vergangenen Zeiten, sagen Wissenschaftler wie Gisela Grupe, ließen sich kaum anders gewinnen. Das gilt auch für die Erkenntnisse, die das Bild vom waffenstarrenden Wikinger korrigieren.

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Susanne Wedlich / „Einsichten – Das Forschungsmagazin“ der Ludwig-Maximilians-Universität München
Stand: 08.03.2012

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die zivilen Verwandten der Seekrieger
Ein echter Knochenjob

Mythos Wikinger
Morden, plündern und in Brand setzen

Händler statt Seekrieger
Die Wikinger-Siedlung Haithabu in Schleswig

Forschungszweig Archäometrie
Dem Leben der Siedler auf der Spur

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