1. April 1998, Washington D.C.: Es ist nicht nur „Fools Day“ in den USA, es ist auch der Tag, an dem Bruce Lehman die Nation schockieren wird. Denn der renommierte Direktor der US-Patentbehörde USPTO begeht nichts weniger als einen Tabubruch: Noch bevor ein gerade eingereichtes Patent den vorgeschriebenen Prüfprozess auch nur begonnen hat, tritt er vor die Presse und verkündet: „Dieses Patent wird niemals anerkannt werden.“ Es sei unmoralisch und unethisch. Zuvor hat Lehman seinen Mitarbeitern bereits die Anweisung gegeben, den Antrag abschlägig zu entscheiden – obwohl die meisten von ihnen diesen noch nicht einmal zu Gesicht bekommen haben. Das ist in etwa so, als würde ein US-Richter den Geschworenen das Urteil diktieren, bevor die Verhandlung begonnen hat.
„Halbmenschliche Monster“
Was aber ist der Grund für Lehmans beispielloses Vorgehen? Was bringt einen besonnenen 53-jährigen Beamten und erfahrenen Patentrechtler zu einem solchen Ausbruch? Auslöser des Ganzen ist das Patent 08/993564, eingereicht von Stuart Newman, Professor für Entwicklungsbiologie am New York Medical College. In ihm beantragt der Forscher die Patentierung von „chimärischen Embryonen und von Tieren, die menschliche Zellen enthalten“.
Konkret ausgedrückt geht es um die Herstellung von Affe-Mensch-Chimären, Lebewesen, die sowohl aus menschlichen Zellen als auch aus Zellen eines Menschenaffen bestehen. Für Lehman ist allein die Vorstellung eines solchen „halbmenschlichen Monsters“ grotesk. Doch in den Labors der Biotechnologiefirmen und Forschungseinrichtungen ist die Technologie, die hinter diesem Patent steht, längst nichts Neues mehr:

Am Anfang war das „Geep“
Schon 1984 war es Forschern gelungen, eine Chimäre aus einem Schaf und einer Ziege zu erzeugen, indem sie Embryonen beider Arten verschmolzen. Während durch Züchtung erzeugte Hybride wie Maultiere oder die Bison-Kuh-Kreuzung Beefalo in jeder Zelle Genanteile beider Elternarten tragen, verschmilzt bei einer Chimäre das Erbgut nicht. Stattdessen entwickeln sich beide Zellarten zwar in einem Körper, aber genetisch getrennt voneinander weiter und differenzieren sich zu den verschiedenen Geweben aus. Dadurch können beispielsweise sämtliche Blutzellen und inneren Organe von einer Art stammen, alle äußeren Hüllgewebe aber von der anderen. Oder aber die Zellen sind stärker durchmischt und bilden auch innerhalb der Gewebe ein Mosaik.