„Panamax“-Klasse heißen die Schiffe, die sich heute noch so gerade eben durch die Schleusensysteme des berühmten Kanals in Mittelamerika zwängen können. Über 90 Prozent der weltweit fahrenden Handelsschiffe haben derzeit keine Probleme, den schmalen Panamakanal zu passieren – noch. Denn die Schiffs-Ära der Supertanker und „Post-Panamax“-Klasse mit einer Länge von mehr als 300 Metern ist längst angebrochen. Diese lassen die über neunzigjährigen Schleusenanlagen immer häufiger sprichwörtlich alt aussehen. Sehr zum Verdruss der Kanalbetreiber, die im letzten Jahr immerhin über eine Milliarde Dollar Transitgebühren einnehmen konnten.
Messlatte Container-Fracht
Doch die Zukunft des Kanals ist nicht alleinige Sache der Wirtschaft sondern längst zum Politikum geworden. Denn auch die Republik Panama verdient an den Einnahmen gut und fürchtet bei zurückgehendem Schiffsverkehr ein Loch in den Staatsfinanzen. So stellte Präsident Martin Torrijos Mitte 2006 seinen ehrgeizigen Erweiterungsplan mit dem Ziel der Verdopplung an Schiffspassagen vor. Statt der bisher maximalen Fracht von 4.500 Container sollen dann die Schiffe bis zu 12.000 Container quer durchs Land transportieren können.
Im Oktober 2006 stimmten die zwei Millionen wahlberechtigten Einwohner Panamas in einem Volksentscheid über die Erweiterung ihres Kanals ab. Die überwältigende Mehrheit von 79 Prozent stimmte diesem Kraftakt zu und freut sich nun auf den versprochenen Wirtschaftsaufschwung und abertausende neue Jobs. Diese versprach zumindest Torrijos immer wieder im Vorfeld der Abstimmung. Kritiker halten ihm hingegen vor, die Baukosten schön zu reden und sich auch bei der Anzahl neuer Arbeitsplätze gerne ein wenig nach oben zu vergreifen. Die Mehreinnahmen, so befürchten die Gegner, würden zudem nicht dem Volk zufließen, sondern in den Taschen korrupter Politiker landen. Wenn der Bau denn überhaupt verwirklicht werden könne und Panama nicht vorher durch die immensen Kosten in den finanziellen Ruin getrieben würde.
Trinkwassernotstand verschärft?
Die Regierung setzte daher im Vorfeld des Volksentscheides alles daran, den Kanalgegnern und vor allem den Umweltaktivisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. So entstünden durch die Modernisierung nur eng begrenzte Schäden an der Natur, da die 80 Kilometer lange Fahrrinne selbst von den Ausbaumaßnahmen nicht betroffen sei. Auch würden keine neuen Stauseen angelegt oder gar Umsiedlungen vorgenommen, wie sie beim eigentlichen Bau des Panamakanals vor einhundert Jahren nötig gewesen seien. Lediglich der Wasserspiegel des Gatun-Stausees, der als Reservoir für die Schleusen dient, müsse um einen halben Meter angehoben werden. Doch eben diese Eingriffe in den Wasserhaushalt stehen nicht erst seit den Erweiterungsplänen in der Kritik.
Denn bei jeder Schiffsdurchfahrt gehen schon derzeit Millionen Liter von Süßwasser unwiderruflich an die Ozeane verloren. Schuld daran ist die veraltete Technik, die das Pumpwasser für das Anheben der Schiffe jedes Mal neu aus den landeseigenen Stauseen bezieht und anschließend nicht wieder auffängt. Besonders in trockenen Jahren sind Trinkwassernotstände die Folge, die für Unmut unter der Bevölkerung sorgen.
Das neue Schleusensystem soll allerdings nicht nur größer sondern auch moderner als die bestehenden Anlagen werden und einen geschlossenen Wasserkreislauf besitzen. Riesige Tanks sind geplant, die als Zwischenspeicher dienen und bei Bedarf die Schleusenkammern füllen oder das abfließende Wasser wieder auffangen. Gegner des Ausbaus bezweifeln jedoch die Umsetzung der zwar gut klingenden aber äußerst kostspieligen Pläne.
Vorrangstellung bedroht
Doch die Gefahr, den Rang als weltweite Logistikdrehscheibe zu verlieren, ist durchaus real und scheint die Investitionen nötig zu machen. Schon länger liebäugeln die Nachbarstaaten Nicaragua und Mexiko damit, selbst einen Kanal zwischen den wichtigen Weltmeeren zu verwirklichen. Und der Ausbau von Eisenbahnlinien könnte einen großen Teil der Containerfracht vom Meer aufs Land verlagern. Ohnehin gehen Experten davon aus, dass die derzeitigen Kapazitäten des Panamakanals fast ausgeschöpft sind. Schon jetzt stehen die Schiffe häufig in den Schleusenhäfen von Colón und Panama-Stadt sprichwörtlich in der Schlange und müssen zum Teil mehrere Tage auf eine Durchfahrt warten.
Doch wie auch immer die Zukunftsvisionen aussehen mögen, so ist der Ausbau durch den Volksentscheid beschlossene Sache. Die Wirtschaft wird hiervon sicherlich profitieren, doch die Kritiker fragen, ob auch die Bevölkerung an dem wachsenden Reichtum teilhaben wird. Bereits heute bietet der Kanal nur einem Bruchteil der Erwerbstätigen im Lande auch tatsächlich einen Arbeitsplatz. Mehr als 40 Prozent der Panamaer leben unter der Armutsgrenze. Bleibt zu hoffen, dass der Kanal allen Unkenrufen zum Trotz hieran etwas ändern kann.
Stand: 27.10.2006