45 Kilometer lang, einspurig und schnurgerade – so sah das Modell des Eisenbahntunnels durch den Sankt Gotthard aus, den Schweizer Wissenschaftler, Ingenieure und Politiker 1962 der Öffentlichkeit präsentierten. Viel mehr als die Idee hat das Projekt AlpTransit Gotthard, das seit dem Jahr 2000 zwischen Erstfeld im Norden und Bodio im Süden durch den heiligen Berg der Schweizer gebaut wird, nicht mehr mit dem ersten Entwurf gemeinsam.
Längst hat man sich aus Sicherheitsgründen für zwei einspurige Tunnel entschieden. Sie sind verbunden über fast 200 Querverbindungen und sollen als gegenseitige Rettungswege dienen, wenn tatsächlich bei Tempo 250 einmal ein Eisenbahnunglück passiert.
Auch die wie mit einem Lineal gezogene ehemalige Trassenführung ist einer Routenplanung gewichen, die die geologische Situation im Untergrund genauso berücksichtigt, wie eine möglichst harmonische Einbindung in das Landschaftsbild oder Umweltschutzauflagen.
Trotzdem bleibt der Gotthard-Tunnel ein Projekt der Superlative. Zwischen Zürich und Lugano wird nicht nur die eigentliche Gotthard-Röhre, mit 57 Kilometern Länge der längste Eisenbahntunnel der Welt, in den Felsen gebohrt und gesprengt. Das Megabauwerk wird ergänzt durch den 20 Kilometer messenden Zimmerberg-Tunnel im Norden und die 15 Kilometer lange Ceneri-Röhre im Süden. Ziel dieses Projektes ist es „eine moderne und leistungsfähige Bahnlinie durch den gesamten Alpenraum“ auf die Beine zu stellen, wie die Hochglanzbroschüre der für Planung und Bau verantwortlichen AlpTransit Gotthard AG verspricht.
Nicht nur die Dimensionen der Tunnel selber stellen alles bisher Gewesene in den Schatten, auch das ganze Drumherum setzt neue Maßstäbe beim Tunnelbau: 500.000 Liter Brauchwasser werden jeden Tag in der Bauphase zur Kühlung, Betonherstellung oder für das Waschen der Arbeitsgeräte benötigt. Unglaubliche 24 Millionen Tonnen Abraum müssen aus dem Berg geschafft und möglichst umweltfreundlich entsorgt oder recycelt werden.
Allein die Tunnelbaustelle Amsteg, einer von fünf Startpunkten, von denen aus das Mammutvorhaben gleichzeitig in Angriff genommen wird, verschlingt zudem genauso viel Strom wie das Touristendorf Sedrun zur Hochsaison über Weihnachten. Von den bis zu 2.300 Meter Fels, die an einigen Stellen über der geplanten Trasse lagern und den damit verbundenen enormen Drücken und klimatischen Bedingungen ganz zu schweigen.
Das sehr unterschiedliche geologische Profil im Verlauf der geplanten Alpentransversale – butterweiche Gesteine wechseln sich mit gefährlichen Störungszonen und superharten Gneiszonen ab – soll vor allem mithilfe von gewaltigen Tunnelbohrmaschinen und per Sprengvortrieb überwunden werden.
Die beiden bereits in Angriff genommenen Multifunktionsstellen (MFS) in Sedrun und Faido, die später den fertigen Tunnel in drei Abschnitte teilen, stehen vor allem im Zeichen der Sicherheit der Fahrgäste. Hier können die Züge im Katastrophenfall von der Weströhre in die Oströhre wechseln und umgekehrt, hier befinden sich aber auch die Nothaltestellen, die durch einen minimalen Überdruck rauchfrei gehalten werden sollen und deshalb als Fluchtort dienen.
100 Jahre reibungslosen Betrieb garantieren sollen eine 30 Zentimeter dicke Innenschale aus Beton zur Stabilisierung des Tunnelgebäudes und eine Abdichtungsfolie in der Röhre, die den direkten Einstrom von Bergwasser verhindert.
Stand: 20.10.2003