Im Jahr 2013 stießen die Physiker am BES-III-Experiment auf ein ganz neues Teilchen: „Wir haben einen exotischen Zustand gefunden, den wir vorher noch nie in unseren Daten gesehen hatten“, erinnert sich Ulrich Wiedner.
Dabei handelte es sich um ein auch als Zc(3900) bezeichnetes Teilchen, das etwa die vierfache Masse eines Protons besitzt. Unabhängig vom BES-III-Team detektierten auch Forscher am KEK-Forschungszentrum in Japan diesen kurzlebigen Teilchenzustand. Welche Struktur dieses exotische Z+-Teilchen hat, können die Forscher jedoch nur vermuten.
Vier statt nur drei Quarks
„Wir wissen, aus welchen Quarks es aufgebaut ist, weil wir diese in weiteren Zerfällen nachweisen konnten“, erläutert Wiedner. Sechs Sorten von Quarks gibt es generell: Sie tragen die Namen Up, Down, Charm, Strange, Top und Bottom. Zusätzlich gibt es die sechs zugehörigen Antimaterie-Teilchen. In den Baryonen, wozu die Materiebausteine Proton und Neutron gehören, sind immer drei Quarks enthalten. Andere bekannte Teilchen, die Mesonen, bestehen dagegen aus einem Quark und einem Antiquark.
Doch in dem von ihnen entdeckten exotischen Zustand fanden die Physiker des BES-III-Experiments ein Charm- und ein Anti-Charm-Quark sowie ein Up- und ein Anti-Down-Quark. Damit besteht dieses exotische Teilchen aus vier Quarks – es ist ein Tetraquark. Seither haben auch Forschergruppen an anderen Teilchenbeschleunigern solche Partikel mit „überzähligen “ Quarks nachgewiesen. Neben weitere Tetraquark-Varianten sind sogar Teilchen mit fünf und sechs Quarks darunter.
Echtes Teilchen oder „Molekül“?
Das weckt die Frage, wie die Quarks in diesen Partikeln angeordnet sind. Für das Zc(3900)-Tetraquark
lassen sich zwei hypothetische Strukturen konstruieren: Bei dem Teilchen könnte es sich um einen echten Vier-Quark-Zustand handeln, in dem die Quarks über die starke Wechselwirkung zusammengehalten werden.
Es könnte sich aber auch um eine Art Molekül handeln, in dem die vier Quarks in zwei Zweiergruppen vorliegen. Diese wären dann ähnlich wie in einem chemischen Molekül aneinandergebunden. In einer Gruppe wären das Charm- und das Anti-Charm-Quark enthalten, in der anderen Gruppe das Up- und das Anti-Down-Quark. Dazwischen gäbe es eine noch unbekannte Art von Bindung. Ein erstes Indiz für die Teilung von Mehrquark-Zustände in zwei Untereinheiten haben Physiker am Forschungszentrum CERN kürzlich für Pentaquarks gefunden.
„Die Molekülbindung von dieser Art von Teilchen, den Mesonen, wäre eine völlig neue Form der starken Wechselwirkung“, sagt Wiedner. „Wenn wir sie detailliert beschreiben könnten, würde uns das wieder einen Schritt beim Verständnis der starken Wechselwirkung weiterbringen – und damit auch bei der Frage, wie Quarks in Protonen zusammengehalten werden und wie Protonen ihre Masse erhalten.“
Quelle: Julia Weiler/ RUBIN, Ruhr-Universität Bochum