Honolulu im Sommer 1997. Der amerikanische Skipper Charles J. Moore hat gerade eine mehr als 4.000 Kilometer lange Segelregatta von Los Angeles nach Hawaii hinter sich, bei der er mit seiner Besatzung auf dem Siegertreppchen gelandet ist. Nachdem sich Moore und seine Männer von den Strapazen des alljährlich stattfindenden Transpacific Yacht Race (Transpac) erholt haben, wollen sie zurück nach Hause.
Sie entscheiden sich für einen Kurs, der deutlich kürzer ist als der Hinweg, dafür aber durch ein Gebiet im Pazifik führt, der von Seglern lieber gemieden wird: die Rossbreiten. Diese Regionen zwischen 30° und 35° nördlicher sowie südlicher Breite sind bekannt für ihre Hochdruckgebiete, ihre Regenarmut und vor allem für ihre Windstille. Es kann vorkommen, dass Segelboote hier aufgrund einer massiven Flaute stunden-, tage- oder sogar wochenlang festliegen.
Plastikmüll soweit das Auge reicht
Dennoch geht die Crew das Risiko ein und wählt diese Route. Auch Moore & Co bleiben auf ihrem Heimweg nicht gänzlich von den Unbilden des Wetters verschont. Doch trotz manchmal nervigen Windmangels kommen sie langsam aber sicher vorwärts. Über 1.500 Kilometer vor der US-amerikanischen Westküste stoßen sie inmitten des Pazifiks schließlich auf ein Phänomen, dass sie noch viel mehr irritiert als die anhaltende Flaute: Zivilisationsmüll.
Sind es zunächst nur einzelne Plastikstücke, die auf dem Meer schwimmen, werden es nach und nach immer mehr. Schließlich sind die Kunststoffteile über und unter Wasser so zahlreich, dass sie einen nahezu unendlich scheinenden Teppich bilden, einen „Superhighway aus Müll“, wie Moore später sagt.
„Als ich vom Deck auf die Oberfläche von dem starrte, was eigentlich ein unberührter Ozean sein sollte, konnte ich, soweit das Auge reichte, nur Plastik sehen. Es schien unglaublich, aber ich fand nirgendwo auch nur einen einzigen freien Flecken“, beschreibt der Skipper später in einem Bericht für das „Natural History Magazine“ seine Beobachtungen. Doch der Müll ist nicht nur eine Momentaufnahme, sondern er verfolgt das Segelboot eine ganze Woche lang. Dazu Moore: „Egal zu welcher Tageszeit ich nachsah, Plastikmüll trieb überall herum: Flaschen, Plastikdeckel, Verpackungen, Bruchstücke.“
Riesiger Müllstrudel im Nordpazifik
Nachdem er mit seinem Schiff Alguita schließlich Festland erreicht hat, macht er seine Entdeckungen publik und sorgt damit in Funk und Fernsehen für einen gehörigen Wirbel. Für einige Wissenschaftler jedoch ist Moores Bericht keine große Überraschung, sondern nur eine weitere Bestätigung ihrer eigenen Ergebnisse und Theorien.
So hat die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die Wetter- und Ozeanografiebehörde der USA, bereits im Jahr 1988 eine Studie vorgelegt, in der sie einen riesigen Müllstrudel im Nordpazifik konstatierte. Die These beruhte auf zahlreichen Müllfunden zwischen Japan und der amerikanischen Westküste – teilweise wurden bis 300.000 Plastikteile pro Quadratkilometer aufgespürt.
Moore ist jedoch vermutlich der erste Mensch, der das ganze Ausmaß der schwimmenden Mülldeponie mit eigenen Augen „live“ gesehen und medienwirksam beschrieben hat. Erst danach wird das Problem auch von der Weltöffentlichkeit registriert und ernst genommen. Und auch die Müllforschung in den Ozeanen nimmt richtig Fahrt auf.
Dieter Lohmann
Stand: 19.03.2010