Auch die Dichtewellentheorie kann jedoch nur teilweise erklären, was sich in der Natur tatsächlich abspielt. Weder ist bekannt, wie die geheimnisvollen Wellen nun eigentlich entstehen, noch gibt es eine befriedigende Antwort auf die Frage, warum diese »kosmische Brandung« nicht schon nach wenigen Umläufen wieder verebbt.
Noch schwieriger waren alternative Erklärungsversuche für das dauerhafte Spiralmuster. Der armenische Astronom Victor Ambarzumjan präsentierte vor vielen Jahren die Theorie, dass gewaltige Explosionen im Zentrum einer Galaxie die Entstehung von Spiralarmen auslösen und beeinflussen. Beobachtungen von Vorgängen in den innersten Bereichen unserer Galaxis und anderer Systeme deuteten tatsächlich darauf hin, dass ringfömige Gebilde und Spiralarme vom Kern nach außen abdriften, angetrieben von Explosionen, die vor mehreren Millionen Jahren stattfanden.
Immer wieder stoßen Astronomen auf unerwartete Phänomene, die nach neuen Erklärungen verlangen. Ein ganz aktuelles Beispiel ist der Fund eines riesigen gebündelten Stroms subatomarer Teilchen, die aus dem Inneren einer entfernten Spiralgalaxie herausschießen. William Keel, Astronom an der Universität Alabama und Leiter des Entdeckerteams, betont: »Wir haben immer gedacht, dass Spiralen die ›falsche‹ Art von Galaxien seien, um solche gewaltigen Jets zu erzeugen. Doch nun müssen wir unsere Vorstellungen davon, was diese Gebilde erzeugt, noch einmal überdenken.«
Bislang nämlich beobachteten die Astronomen nur bei elliptischen oder kollidierenden Systemen solche Jets. Die ungewöhnliche Spiralgalaxie befindet sich in dem locker aufgebauten Galaxienhaufen Abell 428, knapp eine Milliarde Lichtjahre von uns entfernt. Lange war nicht klar, ob jene Welteninsel mit der nüchternen Bezeichnung 0313-192 überhaupt eine Spirale ist.
Doch die im Frühjahr 2002 im Hubble-Teleskop installierte Hochleistungskamera ACS und ergänzende Infrarotaufnahmen des Acht-Meter-Teleskops Gemini Süd lieferten klare Beweise. Sie zeigen eine typische Spiralgalaxie, die sich uns exakt in Kantenstellung präsentiert. Unverwechselbar verläuft in ihrer mittleren Ebene das auch aus unserem Milchstraßensystem gut bekannte dunkle Staubband, und ganz zentral wölbt sich ein glühender Kern. Im überlagerten Radiobild des Very Large Array, New Mexico, fügt sich hier der wahrhaft gigantische Jet exakt ein.
Die galaktischen Fontänen drängen nach allem, was heute bekannt ist, aus der Umgebung supermassiver Schwarzer Löcher ins All. »Diese Galaxie zeigt Anzeichen für ein sehr massereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum«, erläutert Keel, »und die Jets bahnen sich den kürzesten Weg hinaus aus dem Gas.« 0313-192 weist einige Merkwürdigkeiten auf. Ihre Scheibe erscheint etwas verbogen. Vielleicht verschluckte sie einst eine Zwerggalaxie.
Mit künftigen Forschungen wollen die Experten klären, was sich hier abspielt und warum diese Galaxie bisher die einzige gesichtete »Jet-Spirale« ist. So hoffen sie, den Wirbeln im All zumindest ein weiteres Geheimnis entlocken zu können.
Stand: 26.09.2003