Die lang anhaltenden gewaltigen Eruptionen am Laacher See-Vulkan waren– so weiß man heute – aber nur ein Teil dessen, was vor 12.900 Jahren wirklich geschah. Was kaum jemand ahnt: Der Ausbruch veränderte nicht nur die Landschaften in der unmittelbaren Umgebung des Vulkans, er verstopfte mit seiner Asche, dem Bims und anderen vulkanischen Ablagerungen auch den nahe gelegenen Rhein im Neuwieder Becken.
Rheintal in Gefahr
Aus der Luft regneten damals gewaltige Mengen an Staub- und Gesteinspartikeln in den Fluss und auf die Rheinauen. Nebenflüsse wie die Mosel spülten ebenfalls ihre vulkanischen Sedimente in den Strom. Sie trugen so dazu bei, dass der Rhein im Laufe der Eruption wiederholt von Dämmen aus Tephra aufgestaut wurde. Solche natürlichen Sperrwerke entstanden vor allem in der Nähe von Koblenz. Die Folge: ein riesiger See im oberen Mittelrheintal. Immer wieder jedoch brachen die locker geschichteten Dämme durch den Druck der Wassermengen zusammen und der Fluss bahnte sich seinen Weg wieder Richtung Meer.
Ein See der Superlative
Richtig gefährlich wurde es schließlich, als glühend heiße pyroklastische Ströme nahe Brohl den bereits durch zahlreiche Hindernisse verbauten Rhein erreichten und unter gewaltigen Explosionen ins Wasser strömten. Das dabei auf einmal und in großen Mengen eingetragene vulkanische Material gab dem Fluss den Rest. Schon bald hatte sich ein relativ stabiler Staudamm gebildet, der den Rhein – noch vor dem Ende der Eruption am Laacher See-Vulkan – komplett abriegelte.
Mit der Zeit stieg der Wasserspiegel hinter dem natürlichen Hindernis enorm an. Simulationen von Wissenschaftlern haben ergeben, dass der ständig wachsende See am Ende eine Tiefe von 27 Metern hatte und 140 Kilometer stromaufwärts reichte. Er bedeckte dabei eine Fläche von 125 Quadratkilometern – mindestens.
Eine Wand aus Wasser
Doch auch der neuerliche Damm und der so genannte Hauptsee waren nicht von Dauer. Schon bald zeigten sich erste Risse in dem Naturbauwerk und schließlich war der Druck des Wassers auch hier zu groß. Was dann geschah, fasst Professor Hans-Ulrich Schmincke in seinem Buch „Vulkane der Eifel“ wie folgt zusammen: „Der Dammbruch bei Brohl löste gewaltige Flutwellen aus, die mit hoher Geschwindigkeit rheinabwärts rasten. Bei der Goldenen Meile sechs Kilometer flussabwärts vom Damm war die Flutwelle etwa zehn bis zwölf Meter hoch.“ Und noch eines ist heute klar: Dieser „Tsunami am Rhein“ rauschte zu Tal bevor der Laacher See-Vulkan seine Tätigkeit einstellte. Dies enthüllten Ablagerungen aus der Zeit, auf die der Wissenschaftler bei Kaltenengers nahe des Rheins gestoßen war.
Durch einen Vergleich mit einem viel späteren „normalen“ Flusshochwasser macht er zudem deutlich, wie dramatisch die Situation vor Ort damals war: „Ein außergewöhnliches Hochwasser erreichte dort 1926 ebenfalls die 11-Meter-Marke. Der gravierende Unterschied ist jedoch, dass der Rheinkanal stromabwärts von Brohl vor dem Dammbruch bis auf das Wasser der wenigen seitlichen Seitenflüsse praktisch komplett leer war und sich daher eine zwölf Meter hohe Wasserwand urplötzlich rasend schnell flussabwärts bewegte. Da das Rheintal Richtung Damm enger wird, war die Wasserwand dort noch wesentlich höher.“
Vernichtende Flutwelle
Die Folgen waren verheerend. Zwar lebten in der Region damals nur zeitweilig Menschen, die Natur aber bekam die Wucht des Wassers hautnah zu spüren. Tiere, die sich in der Kürze der Zeit nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, Bäume, Sträucher: alles was sich der Flut in den Weg stellte wurde mitgerissen und verschwand auf Nimmerwiedersehen in den Fluten – oder wurde unter einer dicken Sedimentschicht begraben. Das Rheintal war am Ende über weite Strecken völlig zerstört.
Aufschlüsse geben Geheimnisse preis
Dass es vor rund 12.900 Jahren tatsächlich eine Art Tsunami im Rhein gab, ist mittlerweile klar und auch wissenschaftlich abgesichert. So haben Forscher um Professor Hans-Ulrich Schmincke an vielen Orten eindeutige Indizien dafür gefunden, dass die Flut-Theorie stimmt. Zur Lösung des geologischen Puzzlespiels entscheidend beigetragen haben besondere Regionen der Erdoberfläche, an denen Untergrund unverhüllt zu Tage tritt und deshalb von Forscher relativ problemlos untersucht werden kann – so genannte Aufschlüsse.
Fündig wurden Schmincke und seine Kollegin Cornelia Park beispielsweise in einer Kiesgrube nördlich von Bad Breisig: „Wild geschichtete und daher umgelagerte Laacher See Tephra mit Rheinsanden vermischt, untrügliche Anzeichen für gewaltige Flutwellen, weit oberhalb des Rheinbetts“,erzählt der Forscher.
Doch nicht nur in der unmittelbaren Umgebung des Feuerbergs gab es derartige Belege, sondern auch viel weiter flussabwärts bis nach Bonn. Die Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass solche Schichten auch noch bis in die Niederlande nachweisbar sein könnten. Dafür fehlen bis jetzt allerdings schlüssige Beweise.
Stand: 16.10.2009