Geologie/physische Geographie

Ein Wunderwerk der Technik

Mit HROV Nereus zu den tiefsten Stellen der Meere

Leben in 4.000 bis 6.000 Meter Tiefe © NOAA

Die modernen Tauchroboter Quest, Sentry und Co. haben einen entscheidenden Nachteil: Sie operieren maximal in Tiefen bis 6.500 Metern. Für einen Dienst an den tiefsten Stellen der Meere bis elf Kilometer unter der Wasseroberfläche sind sie nicht geeignet, denn sie können dem dort herrschenden Druck nicht trotzen. Mit ihrer Hilfe ist es deshalb zwar möglich, 98 Prozent des Meeresbodens und der Ozeane zu erforschen, aber der Rest, die grundnahen Bereiche der Tiefseegräben, bleiben den neugierigen Blicken der noch immer Menschheit verborgen.

Rätsel über Rätsel

„Diese letzten zwei Prozent sind sehr wichtig“, sagt Dan Fornari einer der leitenden Wissenschaftler vom Woods Hole Meeresforschungsinstitut (WHOI). „Darin enthalten sind einige sehr interessante Umwelten in den Tiefseegräben. (…) Es sind die einzigen Stellen an denen man einen Eindruck davon bekommen kann, was im Erdmantel vor sich geht – und wie dieser mit der absinkenden ozeanischen Lithosphäre interagiert.“

Diese Vorgänge und auch die Produkte der so genannten „subduction factory“ wie Schlammvulkane sind bis jetzt noch längst nicht endgültig verstanden. Und auch Meeresbiologen erwarten von einer zukünftigen Erkundung der tiefsten Stellen der Meere noch viele neue Erkenntnisse über die Tierwelt und die Mikrobenvielfalt in extremen Lebensräumen.

Durch den Verlust des Tauchroboters Kaiko im Jahr 2003, der als einziger auch bis zum Grund der Tiefseegräben vordringen konnte, haben die Ambitionen der Wissenschaftler aber erst mal einen kräftigen Dämpfer erhalten. „Seit dem Verlust sind die Tiefseegräben für systematische Forschung nicht mehr erreichbar“, erklärt Fornari das Dilemma.

HROV (Hybrid Remotely Operated Vehicle) © Jack Cook / WHOI Graphic Services

Nereus als Hoffnungsträger

Doch es gibt längst neue Hoffnung. Denn die WHOI hat noch ein wichtiges Ass im Ärmel: ein innovatives Tauchboot, das schon bald auf erste wissenschaftliche Expeditionen starten soll. Die Macher des Projektes von der WHOI, der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), der US-Marine und der National Science Foundation (NSF) hoffen sogar, dass das so genannte HROV (Hybrid Remotely Operated Vehicle) eine neue Ära bei der Untersuchung der Tiefseegräben einläuten könnte.

Doch was ist das Besondere an der neuen, Millionen Euro teuren, Wunderwaffe der Tiefseeforscher? Wie der Name schon andeutet, kann das HROV in zwei grundsätzlich verschiedenen Betriebsarten arbeiten. Als autonomes, freischwimmendes Vehikel soll es für großflächige Erkundungen unter Wasser eingesetzt werden. Mit einer neu entwickelten Spezialbatterie an Bord steigt es weitgehend selbständig in die Tiefen der Meere hinab und sammelt und archiviert dabei Bilder und Daten. Im Rahmen seiner 36 stündigen Dienstzeit kann das „Nerius“ getaufte HROV zudem Kartierungen durchführen oder den Meeresboden scannen. Die Wissenschaftler sind dadurch in der Lage, interessante Regionen zu identifizieren, die anschließend näher erkundet werden.

Schneller Umbau möglich

Diese Aufgabe übernimmt dann auch das HROV, allerdings in einem ferngesteuerten, „angeleinten“ Modus arbeitend. Nahe des Mutterschiffes nimmt Nereus dann Proben oder erledigt andere wichtige wissenschaftliche Aufgaben. Verbunden mit den Forschern an Bord des Mutterschiffes ist das HROV über ein dünnes, ultraleichtes, gepanzertes Glasfaserkabel mit nicht einmal einen Millimeter Durchmesser. Dieses ermöglicht eine Echtzeit-Kommunikation und damit eine perfekte Steuerung und Datenübertragung.

Der Clou an der Sache: das HROV kann während der Forschungsexpedition schnell und einfach rekonfiguriert und umgebaut werden – je nachdem, welches „Betriebssystem“ aus Forschersicht gerade notwendig ist.

Technische Herausforderung

„Ein System für 11.000 Meter Wassertiefe zu entwerfen und zu bauen ist eine echte technische Herausforderung“, meinte Andy Bowen vom Deep Submergence Lab des WHOI im Dezember 2003, als das Projekt aus der Taufe gehoben wurde. „Dazu müssen wir Komponenten entwickeln, die im Moment noch nicht existieren.“ Gerade für die Karosserie des HROV und die Gehäuse, in denen elektronische Geräte wie Kameras oder Sonare untergebracht werden, waren neue Materialien gefragt. Sie müssen extrem stabil und zugleich möglichst leicht sein. Zum Einsatz kommt deshalb eine besondere Keramikvariante, die selbst enormem Druck erfolgreich standhält.

„Das HROV wird zum ersten Mal eine routinemäßige wissenschaftliche Untersuchung der tiefsten Bereiche der Ozeane ermöglichen – von 6.500 bis 11.000 Meter -, ein Bereich den wir zurzeit nicht erreichen können“, sagte Richard Pittenger, der damalige WHOI Vizepräsident für Marine Operationen bei der Vorstellung des Vorhabens. „Es wird uns aber auch Zugang verschaffen zu anderen schwer zu erreichenden Regionen wie beispielsweise unterhalb der arktischen Eiskappe.“ Erste erfolgreiche Tests in 2.500 Meter Wassertiefe vor Hawaii haben im November 2007 bereits stattgefunden. Ende 2008 oder Anfang 2009 soll Nereus dann die erste wissenschaftliche Mission in 11.000 Meter durchführen…

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Stand: 12.09.2008

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Inhalt des Dossiers

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