Spätsommer 1964, im Süden Montanas. Nahe der Kleinstadt Bridger wandern einzelne Menschen scheinbar ziellos durch die von zahlreichen Hügeln und Senken durchzogene Landschaft. Ihr Blick ist nach unten gerichtet, hin und wieder hocken sich Einzelne hin, betrachten den Boden intensiv und und graben vorsichtig etwas aus oder rufen nach ihren Kollegen. Es ist der letzte Tag der Ausgrabungssaison für eine Gruppe von Geologen und Paläontologen der Yale Universität. Einer von ihnen ist John Ostrom, Professor für Geologie in Yale und Kustode am Peabody Museum der Universität.

Als er einen kleinen Hügel aus den typisch bläulichen, rötlichen und grauen Ablagerungen der kreidezeitlichen Cloverly Formation umrundet, fällt ihm am Boden etwas auf. Bei näherer Betrachtung entdeckt er halb begraben im Gestein eine knochenähnliche Form. Er präpariert sie vorsichtig frei und ist verblüfft. Denn die versteinerten Knochen, die er zu Tage fördert, unterscheiden sich von allen, die er bisher gesehen hat – und dies sind einige. Denn er hat in seinem Forscherleben bereits Tausende von fossilen Knochen, im speziellen Dinosaurierknochen in den Händen gehalten. Ostrom markiert und sichert die Stelle, und beschließt, hier im nächsten Sommer in größerem Maßstab weiterzusuchen.
Deinonychus – agiler Räuber mit „Schreckensklaue“
In den nächsten beiden Sommern finden Ostrom und seine Kollegen tatsächlich an dieser „Shrine“ getauften Stelle rund tausend weitere Knochen. Sie entpuppen sich schnell als die Relikte von insgesamt drei kleinen, zweibeinigen Dinosauriern, sowie die Überreste eines größeren Reptils, alle aus der frühen Kreidezeit stammend.

Doch es ist der kleine Dino, der Ostrom keine Ruhe lässt. Der von ihm „Deinonychus antirrhopus“ – „schreckliche Klaue“ getaufte Theropode ist gut drei Meter lang, aber dabei auffallend zierlich und agil. Darauf deutet unter anderem der Bau seiner Beine und Füße hin. Ein Großteil seiner Länge entfällt auf den Schwanz und großen Schädel mit seinen rund 70 klingenartigen Zähnen. Neben dem allgemeinen Körperbau fällt als erstes die namengebende Klaue ins Auge: Der zweite Zeh der beiden Hinterbeine ist jeweils zu einer langen, scharfen Sichelkralle ausgezogen, die am lebenden Tier bis zu zwölf Zentimeter lang gewesen sein muss.