„Du Xanthippe!“ – das war früher ein gängiger Ausruf. Heute würde man wohl eher sagen: „Du Zicke!“. Dahinter steckt jedoch mehr als nur ein Schimpfwort: Es steht für das Bild der Frau als zänkischem Weib, welches dem Mann die Geistesarbeit und das Leben schwer macht – wie die Namensgeberin Xanthippe, die Frau des griechischen Philosophen Sokrates. Ein Bild, das sich bis heute hält.
Besonders ausgeprägt war die abwertende Haltung bereits bei den antiken Naturphilosophinnen. Je nachdem, ob die von ihnen verbreitete Lehre in das Männer-dominierte Welt- und Gesellschaftsgefüge ihrer Zeit passte oder nicht, wurden sie geduldet, zu Tugendikonen oder zu Feindbildern stilisiert. So sind ihre Lehren, wie die der Perictione, der angeblichen Mutter Platons, dann häufig zumindest fragmentarisch erhalten, wenn sie von Tugendhaftigkeit im Haushalt und der demütigen Haltung gegenüber Familie und Ehemann handeln. Passten die Lehren weiblicher Philosophinnen nicht in dieses Schema, wurden sie zu Lebzeiten oder im Nachhinein häufig verunglimpft, ihre Lehren vernichtet oder einem männlichen Zeitgenossen zugeschrieben.
Hypatia: Und sie dreht sich doch!
Wer glaubt, die klassischen Natur-Philosophen der Antike seien ausnehmend männlich gewesen, der irrt gewaltig. Denn nicht nur Platon und Sokrates bestimmen unser heutiges Weltverständnis noch bis heute. Eines der prominentesten Beispiele weiblicher Philosophie, Astronomie und Mathemathematik ist Hypatia von Alexandria aus dem 4. Jahrhundert. Auch von ihren Lehren ist leider nichts erhalten. Hinweise auf ihr philosophisches Wirken finden sich aber in den Briefen ihres Freundes und Schülers, des späteren Bischofs Synesios von Kyrene. Diesen ist zu entnehmen, dass sie vor anderen Gelehrten, aber auch öffentlich auf der Straße unterrichtete. Bekannt ist zudem, dass sie bereits von der Richtigkeit des heliozentrischen Planetensystems überzeugt war und Forschungen in dieser Richtung betrieb. Die im Bezug hierauf falschen Überlegungen Aristoteles, der vom geozentrischen Weltbild ausging, sollten sich jedoch zunächst durchsetzen und später von der römisch-katholischen Kirche übernommen werden. So festigten sie sich, bis mehr als 1.000 Jahre später schließlich das heliozentrische System bewiesen wurde.
Die Todesumstände Hypatias sind legendär und spätestens seit der Verfilmung „Agora“ des spanischen Regisseurs Alejandro Amenábar von 2009 einem breiten Publikum bekannt. Denn als Philosophin und Anhängerin heidnischer Religionen wurde sie Opfer religiöser Machtkämpfe. So zerrte sie ein Mob aufgebrachter Christen in eine Kirche, ermordete sie und zerstückelte den Leichnam. Das Ereignis galt insbesondere modernen Kritikern der katholischen Kirche als Argument und Beweis für die Intoleranz und Wissenschaftsfeindlichkeit des Christentums dieser Zeit.
Aber auch außerhalb der christlichen Einfluss-Sphäre waren Frauen – und damit auch weibliche Gelehrte – häufig Bürger zweiter Klasse und mussten sich ihr Recht auf Bildung häufig mit Tricks und über Umwege erkämpfen. Dies galt beispielsweise auch für die berühmte Akademie Platons in Athen, einige Jahrhunderte früher…
Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012