Biotechnologien

Eine Frage der Kosten?

Alternativen sind kurzfristig teuer, aber langfristig günstiger

Zur Überwindung des Test-Dilemmas werden aus Sicht von Gerrit Schüürmann zwei Dinge gebraucht: Integrierte Teststrategien und eine Orientierung auf Wirkungsmechanismen. Daran arbeitet der Wissenschaftler im Rahmen des EU-Projekts OSIRIS, das vom UFZ koordiniert wird. Ansatz des Projekts ist es, nicht einfach einen Tierversuch durch eine Alternativmethode zu ersetzen, sondern alle Informationen zum Gefahrenpotenzial zusammenzutragen und dann in der Zusammenschau zu prüfen.

Gezielte Suche nach Parallelen per Algorithmus © SXC

Stärkerer Abgleich mit Vorerfahrungen

Eine der erforschten Verfahren ist beispielsweise das so genannte „Read across“: Dabei wird ein Dateninventar nach Stoffen mit ähnlichen Strukturen durchsucht, zu denen bereits Werte aus Experimente vorliegen. Anstatt diese Vergleichswerte nun subjektiv zu beurteilen, haben die Forscher um Schüürmann Algorithmen entwickelt, die die Bewertung computergestützt ermöglichen.

„Meine Vermutung ist, dass insgesamt eine Verlagerung kommen wird auf ‚Papiertoxikologie‘, also auf Beurteilung und kompetenten Umgang mit Alternativmethoden, so dass es bei der toxikologischen Beurteilung bereits vorhandener Stoffe nicht unbedingt eine finanzielle Ersparnis geben wird, aber eine Reduktion von Tierversuchen. Daran glaube ich schon“, blickt Schüürmann voraus. Das heißt statt zehn technischen Assistenten, die Mäuse pflegen, bräuchte man dann vielleicht drei promovierte Wissenschaftler.

Kaninchen: beliebte Versuchstiere © SXC

Tiere nur scheinbar als die billigste Methode

Für die Etablierung von Alternativmethoden in der Praxis wird die Kostenfrage eine große Rolle spielen. Denn die Entwicklung von Ersatzversuchen kostet Geld und birgt das Risiko, dass die Alternative später teurer wird als der klassische Tierversuch. Das heißt, wenn Alternativmethoden mit großen Kosteneinsparungen verbunden sind, wird dies ihre Entwicklung deutlich fördern.

Chemiker Schüürmann macht dagegen noch eine ganz andere Rechnung auf: „Wenn man strategisch denkt, sollten auch aus ökonomischen Gründen die computergestützten Methoden bereits im Vorfeld von langjährigen Produktentwicklungen und -optimierungen eingesetzt werden. Mittelfristig sehe ich durchaus ein echtes Gesamteinsparpotenzial darin, dass bestimmte Stoffentwicklungen frühzeitig gestoppt werden, wenn sie durch mechanistisch basierte Computer-Raster laufen müssen und damit die Schadenspotenziale bereits zu Beginn einer Stoffkonzeption und -entwicklung erkannt werden können.“

Pragmatismus gebietet Alternativen

Auch wenn im Moment Testlabore und Beratungsfirmen wie Pilze aus dem Boden zu schießen scheinen – Experten bezweifeln, dass die Industrie es schaffen wird, zehntausende Substanzen bis 2018 komplett durchzutesten. Alternativen zu den klassischen Tierversuchen scheinen daher nicht nur aus ethischen, sondern auch aus ganz pragmatischen Gründen sinnvoll, wenn die EU das ehrgeizige Ziel von REACH, in sieben Jahren die Risiken für alle in Europa relevanten Chemikalien zu kennen, erreichen will. Am UFZ entwickelte Software könnte dazu einen Beitrag leisten. Dass die Chemikalienagentur ECHA sich für diese Instrumente interessiert, lässt die Experten zumindest hoffen.

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UFZ / Tilo Arnold
Stand: 04.02.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Tierversuche: Alternativen gesucht
Hohe Hürden für den Ersatz von Tieren in Chemikalien- und Arzneimittel-Tests

Fatale Folgen trotz Tierversuche
Auch etablierte Testmethoden zur Risikobewertung sind nicht unfehlbar

Nur was lange währt, wird gut?
Warum es alternative Methode gegen etablierte Verfahren schwer haben

REACH: Tests für jede Chemikalie
Neue Chemikalienrichtlinie will mehr Transparenz schaffen

54 Millionen Tierversuche allein für REACH?
Theorie hinkt Praxis im REACH-System hinterher

Vorbild USA?
Computer statt Tierversuch

Eine Frage der Kosten?
Alternativen sind kurzfristig teuer, aber langfristig günstiger

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