Um unser Stromnetz stabil mit Energie zu versorgen, ist ein weiterer Punkt wichtig: Es muss nicht nur genug Strom erzeugt und eingespeist werden, sondern dies muss auch gleichmäßig passieren. Entscheidend ist die sogenannte Netzfrequenz, also die Frequenz, mit der der Wechselstrom im Leitungsnetz schwingt. In Europa beträgt sie 50 Hertz. Das bedeutet, 50 Mal in der Sekunde ändert sich die Polarität in den Stromleitungen.
Die Frequenz ist entscheidend
Stromleitungen und daran angeschlossene Geräte sind auf diese Frequenz ausgelegt. Kleinere Schwankungen um bis zu 0,2 Hertz darüber oder darunter sind normal. Doch weicht die tatsächliche Frequenz zu stark von den standardisierten 50 Hertz ab, hat das Folgen: Kurzschlüsse, weitreichende Stromausfälle und schwere Schäden können dann eintreten.
Ein besonders schwerer Fall dieser Art ereignete sich im Jahr 2006: Eine Starkstromleitung über die Ems ging vorübergehend vom Netz, um ein Kreuzfahrtschiff sicher von der Werft in Richtung Nordsee passieren zu lassen. Trotz vorheriger Simulationen, die einen sicheren Verlauf vorausgesehen hatten, brach die Frequenz ein und in ganz Westeuropa fiel für Stunden der Strom aus.
Abgesehen von solchen Extremfällen lässt sich das Netz von den bestehenden Kraftwerken aus jedoch relativ sicher versorgen: Kohlestrom stammt von einigen wenigen, zentralen Standorten. Daher kann auch die nötige Stromleistung für eine stabile Netzfrequenz zentral gesteuert werden. Diese sogenannte Regelleistung ist wichtig, um weitreichende Stromausfälle zu vermeiden. Anders als die zentralen Großkraftwerke sind Windräder und Solarzellen jedoch über eine Vielzahl von Standorten verstreut.
Erneuerbare Energiequellen bringen Regelleistung
Können nun auch im ganzen Land verteilte erneuerbare Energiequellen die Netzfrequenz von 50 Hertz stabil halten? Ja, sie können, sagen Energieexperte Kurt Rohrig vom IWES und seine Kollegen. Die Regelleistung war ein zentraler Bestandteil des zweiten Teils im Kombikraftwerk-Projekt. Der Feldversuch hat gezeigt, dass auch die erneuerbaren Energiequellen das Netz stabil versorgen können.
Die Voraussetzung dafür ist, dass alle Anlagen ihre Leistung flexibel anpassen oder zumindest drosseln können. Bei Windrädern etwa lässt sich der Winkel der Rotorblätter zum Wind ändern. So lässt sich genau einstellen, wie stark sie sich im Wind drehen und wie viel Strom sie dadurch produzieren. In der Regel laufen die Windkraft-Turbinen zudem nicht mit voller Leistung. So halten die Anlagen eine Reserve vor. Bei Bedarf lässt sich die eingespeiste Strommenge dadurch noch erhöhen, etwa wenn ein anderer Windpark oder eine Solaranlage gerade weniger liefern kann.
Schwarzstart nach Stromausfall
Völlig immun gegen Störungen wird jedoch auch die zukünftige Energieversorgung nicht sein. Sollte es doch einmal zu einem Zusammenbruch und Stromausfall kommen, muss sich das Stromnetz daher wieder hochfahren lassen. Dafür müssen die stromliefernden Anlagen zum sogenannten „Schwarzstart“ fähig sein: Sie müssen praktisch aus dem Nichts, also ohne Starthilfe aus dem Stromnetz, den Betrieb wieder aufnehmen und Strom ins Netz einspeisen können.
Diese Aufgabe übernehmen bisher Kohlekraftwerke. Nach einem Netzausfall stellen sie die Versorgung in weiten Teilen des Netzes wieder her, das funktionierende Netz baut sich gewissermaßen vom Kraftwerk bis zu den Verbrauchern von oben her wieder auf.
Bei den dezentral liegenden erneuerbaren Energiequellen läuft der Prozess anders: Nachdem sie die Leistung wieder aufnehmen, decken sie zunächst nur kleinere Bereiche des Netzes ab. Diese müssen nach und nach kontrolliert zusammengeschaltet werden, damit das ganze Netz schließlich wieder im Gleichtakt läuft. Im Kombikraftwerk gelang auch dieser Wiederaufbau des Netzes nach einem simulierten Ausfall.
Ansgar Kretschmer
Stand: 18.09.2015