Weit über 60 Meter hoch inklusive Bohr- und Förderturm, so groß wie ein Fußballfeld und vollständig von einer Wanne aus Stahl und Beton umgeben, die keine Flüssigkeit nach außen dringen lässt: Die künstliche Förderinsel Mittelplate wirkt wie eine unerschütterliche Festung in der rauen Nordsee.
Ihre Hochseetüchtigkeit hat Deutschlands wichtigste Erdölförderstätte seit der Fertigstellung im Jahr 1987 mittlerweile längst unter Beweis gestellt. Selbst die schweren Frühjahrsstürme „Vivian“ und „Wiebke“, die zu Beginn der 1990er Jahre in Deutschland eine Spur der Verwüstung hinterließen, konnten ihr nichts anhaben. Auch gegen Eis ist die Insel nach Angaben der Betreiber „resistent“.
Bis zu 2.500 Tonnen Öl täglich fördert die Mittelplate seit dem Ende der Pilotphase im Jahr 1991 aus der Tiefe nach oben. Sie werden von unerwünschten Nebenprodukten wie Erdölgas oder Lagerstättenwasser befreit und anschließend mit Spezialschiffen zur Weiterverarbeitung in den Hafen Brunsbüttel gebracht. Insgesamt 21 Bohrungen, die von einem speziellen Bohrkeller aus in den Meeresboden getrieben wurden, greifen heute auf das rund zwei- bis dreitausend Meter tief liegende Erdöllagerstätte zu und zapfen es an. Insgesamt 44 Bohrungen sind von hier aus möglich, die jeweils unterschiedliche Bereiche des Feldes anvisieren.
„Wir haben im Bereich der Bohr- und Förderinsel Mittelplate 44 Slots, die sich auf dem Boden des Bohrkellers befinden. Durch diese Schächte, die oben zunächst mit Metalldeckeln verschlossen sind, können die Bohrungen ‚abgeteuft’ werden“, erläutert RWE Dea-Pressesprecher Derek Mösche
Und weiter: „21 dieser Schächte sind inzwischen belegt. Dort kommen im Bohrkeller nun die Förderrohre an und sind an der Oberfläche mit Sicherheitsabsperrventilen gesichert, die sich bei Druckabfall automatisch schließen.“
Onshore ergänzt Offshore
Doch das Öl sprudelt nicht nur hier inmitten des Nationalparks Wattenmeer an die Erdoberfläche, seit dem Jahr 2000 ist auch die Landstation Dieksand in der Gemeinde Friedrichskoog fertig. Dort befindet sich nicht nur eine Aufbereitungsanlage für flüssige Kohlenwasserstoffe, sondern von hier aus wird auch über sieben Bohrungen Öl aus dem Feld Mittelplate gefördert. Doch wie kann man eine Lagerstätte anzapfen, die nicht nur zwei Kilometer tief in der Erde liegt, sondern auch horizontal rund acht Kilometer entfernt ist?
Ganz einfach: Man muss um die Ecke bohren. Die neue Horizontalbohrtechnik macht’s möglich. Dabei kämpft sich das Bohrteam mit dem technischen Gerät zunächst einige hundert bis tausend Meter tief vertikal in den Untergrund hinein, bevor man sich nach einem sanften Bogen horizontal dem Ziel nähert. Solche abgelenkten Bohrungen erreichen von Dieksand aus eine Länge von rund 9.200 Metern. Die Bohrungen sorgen dafür, dass auch die östlichen Teile des Ölfeldes, die von der Offshore-Bohrplattform aus nicht zugänglich sind, geleert werden.
Der Clou an der Technik ist eine Art „Pfadfinder“, ein Messgerät, das während des Bohrvorgangs mithilfe von empfindlichen Sensoren das Gestein untersucht und den Bohrmeißel zielsicher steuert. Der Bohrkopf selber ist so ausgelegt, dass er allen Anweisungen des Pfadfinders folgen kann, egal ob er sich nun geradeaus vorarbeiten oder einen Bogen beschreiben soll.
Zwei Millionen Tonnen jährlich
Auch auf der Förderinsel Mittelplate kommt diese Technik zum Einsatz. Denn noch sind von dort aus längst nicht alle Bereiche des Ölfeldes nutzbar. „Da ein bestimmter Radius mit der alten Bohranlage bereits erschlossen worden ist, wird demnächst eine neue Anlage aufgebaut, die weitere Bohrungen abteufen kann und mit extrem weit abgelenkten Bohrungen bis in die Randbereiche des Ölfeldes vordringen wird. Dies wird ab Mitte Dezember der Fall sein“, erläutert Mösche.
Insgesamt gehen den beteiligten Erdölfirmen in der Nordsee rund zwei Millionen Tonnen jährlich und damit rund 60 Prozent der gesamten deutschen Erdölförderung „ins Netz“. Zwar hat das Mittelplate-Projekt in den letzten 25 Jahren mehr als 450 Millionen Euro verschlungen, doch bei einem geschätzten Wert des Ölfeldes von mehreren Milliarden Euro könnte sich dies als eine gut überlegte Investition erweisen. Vor allem wenn man den ständig steigenden Ölpreis bedenkt…
Stand: 24.06.2005