Das Nildelta ist Ägyptens Verbindung zur Welt und schon seit Jahrtausenden das Zentrum seiner Wirtschaft und Kultur. Hier, an der Mündung des Nils ins Mittelmeer, machen Überschwemmungsgebiete das Land besonders fruchtbar und liefern Nahrung für Millionen. Gleichzeitig liegen hier die Häfen und Wasserstraßen, die den Zugang zum Mittelmeer und einen florierenden Seehandel ermöglichen.

Herakleion: Tor zum Mittelmeer und Tempel-Ort
Während die meisten Nilarme im Delta heute verlandet sind, gab es dort vor gut 2.600 Jahren wahrscheinlich mindestens fünf natürliche und zwei künstliche Wasserstraßen. Einer der wichtigsten Seehäfen des antiken Ägypten war die Stadt Herakleion, die auf mehreren Inseln am westlichsten Nilarm, dem Kanopus-Arm, lag. Die von Kanälen durchzogene Stadt war in der Spätzeit der pharaonischen Ära Ägyptens wichtigste Verbindung zum Mittelmeer und einer der größten Häfen im gesamten Mittelmeerraum. Zusammen mit ihrer 70 Kilometer weiter nilaufwärts gelegenen Schwesterstadt Naukratis diente Herakleion als Hauptumschlagplatz für den Im- und Export von Waren von und nach Ägypten.
Die Hafenstadt war jedoch auch von großer religiöser Bedeutung: In ihr lag antiken Überlieferungen zufolge ein wichtiger Tempel des Amun-Gereb, einer Variante der ägyptischen Haupt-Gottheit. Amun-Gereb wurde vor allem in der griechisch geprägten Zeit der Ptolemäer-Könige Ägyptens verehrt, er galt als der Gott, der den makedonisch-stämmigen Herrschern ihre Macht und Legitimation verlieh. Eine um 286 vor Christus verfasste mehrsprachige Inschrift, das sogenannte Kanopus-Dekret, erwähnt Herakleion als den Ort, an dem zur Zeit des Königs Ptolemäus I. eine Priestersynode stattfand.

Die schöne Helena und ein Göttersohn
Sogar in den griechischen Sagen spielt diese Hafenstadt an der Nilmündung immer wieder eine wichtige Rolle. So sollen die schöne Helena von Troja und ihr Geliebter Paris nach ihrer Flucht aus Troja in dieser Stadt Zuflucht gesucht haben, gastfreundlich beherbergt von einem ägyptischen Adeligen. Dem Geschichtsschreiber Diodorus zufolge könnte sogar der Göttersohn Herakles hier eine seiner Wundertaten vollbracht haben: Als der Nil über die Ufer trat und die rasenden Wassermassen das umliegende Land überfluteten, war es Herakles, der die Fluten bändigte und den Nil in sein ursprüngliches Bett zurückzwang – so die Legende.