Wie viele Menschen weltweit von einer der zahlreichen Spielarten des Autismus betroffen sind, weiß niemand ganz genau. Schätzungen gehen jedoch von etwa ein bis drei Prozent der Kinder aus – die Zahl der Diagnosen scheint dabei in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen zu haben. In den USA spricht man schon von einer „Autismus-Epidemie“. Doch wird die Entwicklungsstörung wirklich häufiger?
Eine Zunahme der Diagnosen muss nicht zwangsläufig eine Zunahme der Autismusfälle bedeuten. So könnten sich die steigenden Zahlen auch dadurch erklären lassen, dass das Bewusstsein für die Entwicklungsstörung in der Öffentlichkeit gestiegen ist und sich die Diagnosemethoden im Vergleich zu früher verändert haben. Ein ähnlicher Zusammenhang wird zum Beispiel auch bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen vermutet.
Alte Eltern als Erklärung
Trotzdem sind manche Experten der Ansicht, dass zumindest ein Teil des beobachteten Anstiegs auf eine tatsächliche Zunahme von Autismusfällen zurückzuführen ist. Doch welche Ursachen stecken dahinter? Wer sich Regionen anschaut, in denen in letzter Zeit besonders viele autistische Kinder geboren werden, stößt schnell auf interessante Erklärungsansätze.
Eine dieser Ansammlungen von Autisten findet sich zum Beispiel rund um die Hügel von Hollywood. Auf der Suche nach des Rätsels Lösung fanden Forscher schließlich heraus, dass die dort lebenden Paare ihre Kinder im Schnitt später bekommen als in anderen Bezirken Kaliforniens. Das Spannende daran: Es ist bekannt, dass ein hohes Zeugungsalter mit einem erhöhten Risiko für Autismus beim Nachwuchs einhergeht. Lässt sich die Autismus-Epidemie also durch einen sozialen Wandel und veränderte Lebensentwürfe in unserer Gesellschaft erklären?
Häufung im Silicon Valley
Ebenfalls in Kalifornien, jedoch bei San Francisco, geht die Spurensuche weiter: Dort, im Santa Clara County, ist die Anzahl der mit Autismus diagnostizierten Kinder in den letzten zwei Jahrzehnten regelrecht explodiert. In diesem Bezirk liegt das Silicon Valley – einer der bedeutendsten Standorte der IT- und Hightech-Industrie weltweit. Es ist der Arbeitsplatz kreativer Technikfreaks, von denen viele hochintelligent sind oder über besondere Begabungen in bestimmten Bereichen verfügen.
Genau dieses Merkmal charakterisiert auch manche Menschen mit Asperger. Schon der Namensgeber dieses Syndroms, Hans Asperger, erklärte einmal: „Es scheint, dass ein Hauch von Autismus essenziell ist für den Erfolg in Wissenschaft oder Kunst.“ Im Silicon Valley erfolgreiche Menschen könnten demnach gehäuft über genetische Tendenzen für das im Englischen manchmal auch „Geek Syndrome“ genannte Asperger-Syndrom verfügen.
Geek trifft Geek
Was für die Eltern möglicherweise ein Karrieregarant ist, kann für die Kinder jedoch bedeuten, dass sie mit einer Entwicklungsstörung leben. Denn haben sowohl Mutter als auch Vater leicht autistische Tendenzen, kann sich dies beim Nachwuchs zur Störung potenzieren – und im Silicon Valley ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei „Geeks“ als Partner finden, wohl so hoch wie nirgendwo sonst.
Die räumliche Konzentration von Menschen mit Autismusneigung oder das zunehmend hohe Alter werdender Eltern: Dies sind nur zwei von vielen Faktoren, die die Zunahme der Entwicklungsstörung erklären könnten. Was nun ausschlaggebend für die steigende Zahl von Autismusfällen ist und ob die Zahl überhaupt steigt – darüber werden Experten allerdings wohl auch weiterhin debattieren.