Freitag, 18. März. Genau eine Woche nach dem Beginn des Atomdramas in Fukushima geht der Kampf gegen den drohenden Super-GAU unvermindert weiter. Immerhin aber hat sich die Lage nicht weiter verschlimmert, möglicherweise gibt es doch noch Hoffnung.
Erstes Stromkabel liegt
Am frühen Morgen vermeldet Kabinettssekretär Yukio Edano, dass es Tepco gelungen ist, ein Starkstromkabel bis zu einem Stromverteiler außen an den Reaktorblöcken 1 und 2 zu verlegen. Damit könnte die Kühlung wieder angefahren werden. Ob allerdings der Anschluss und das Starten der entsprechenden Pumpen gelingen, ist unklar. „Einige der elektrischen Verteilerkästen im Kraftwerk sind beim durch das Erdbeben ausgelösten Tsunami beschädigt worden“, berichtet Edano. „Tepco muss daher improvisierte Ausrüstung einsetzen.“
Die Elektriker-Crew ist nun dabei, auch zu den Reaktoren 3 und 4 Kabelverbindungen zu legen. Ein erster Versuch, die Anlagenkühlungen wieder anzufahren soll jedoch erst dann erfolgen, wenn die überhitzten Abklingbecken der beiden Blöcke weiter abgekühlt sind.
Dampf als gutes Zeichen?
Die bereits am Donnerstagabend begonnenen Versuche, die Abklingbecken der Blocks 3 und 4 mit Pumpwagen und per Hubschrauber mit Wasser zu füllen oder zumindest zu kühlen, scheinen erste Erfolge zu zeigen. „Als wir Wasser ausgeschüttet haben, haben wir Dampf aus der Anlage entweichen sehen. Wir denken, das Wasser hat die Hitze verringert“, hatte ein Sprecher der Betreiberfirma Tepco noch am Donnerstagabend erklärt. Auch die Radioaktivität, gemessen am Werkstor, hat sich in der Nacht und am Vormittag etwas verringert auf rund 279 Mikrosievert pro Stunde. Von einem abnehmenden Trend will Edano aber noch nicht sprechen.
Weiter Kampf gegen überhitzte Brennstäbe
Gegen 14:00 Uhr Ortszeit, Fukushima. Am Reaktor 3 sind sieben Wasserwerfer der japanischen Armee dabei, Wasser aus 80 Metern Entfernung in Richtung des dampfenden Reaktors zu spritzen. Mehr als 60 Tonnen Wasser sind inzwischen in das marode, durch eine Explosion bereits stark zerstörte Reaktorgebäude gelangt, ein Teil davon hoffentlich auch in das dachlose, völlig frei liegende Abklingbecken. Weitere 140 Feuerwehrmänner mit 30 Löschfahrzeugen sind inzwischen aus der nahegelegenen Stadt Iwaki unterwegs zum Atomkraftwerk. Sie sollen die bereits dort arbeitenden Wasserwerfer verstärken und vor allem das Abklingbecken des Reaktorblocks 4 kühlen, in dem in den letzten Tagen bereits mehrfach Feuer ausgebrochen ist.
Auch aus dem Reaktorblock 2 steigt nun Rauch auf, ein Anzeichen dafür, dass auch dort die Brennstäbe im Abklingbecken gefährlich hohe Temperaturen erreicht haben und das Kühlwasser darin kocht. Die große Schwierigkeit besteht hier darin, dass die Explosion in diesem Gebäude das Dach nicht abgesprengt hat, so dass der Pool schwer direkt durch Wasserwerfer erreichbar ist.
Und der Dramen nicht genug, mehrt sich am Nachmittag auch die Sorge um den bisher eher stabilen Reaktorblock 1. Hier gibt es momentan keinerlei Angaben zum Wasserstand und Druck im Inneren des Reaktorkerns. Möglicherweise, so spekuliert Tepco, ist der Wasserspiegel so niedrig, dass die Sensoren ihn nicht mehr erfassen können. Das aber würde bedeuten, dass die vermutlich ohnehin schon teilweise geschmolzenen Brennstäbe fast völlig trocken liegen. Außerhalb des Druckbehälters, im Abklingbecken, steige die Temperaturen weiter, auch hier muss gekühlt werden, bevor das Wasser komplett verdampft.
„Größte Krise Japans“
„Dies ist die größte Krise Japans“, erklärt Premierminister Naoto Kan kurz vor seinem Treffen mit dem Leiter der internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano. Noch ist nicht klar, wie sie ausgehen wird. Doch selbst wenn der Super-GAU, das Entweichen großer Mengen hochradioaktiver Spaltprodukte, in letzter Minute abgewendet werden kann, ist die Katstrophe noch lange nicht vorbei.
„Das ist etwas, das einige Zeit brauchen wird, wahrscheinlich Wochen, bis man den Großteil der Hitze der Reaktoren und der Abklingbecken abgeführt hat“, erklärt der Vorsitzende der U.S. Nuclear Regulatory Commission Gregory Jaczko bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Und auch nach der Abkühlung der Reaktorblöcke können die Kraftwerksruinen nicht einfach sich selbst überlassen werden. Sie sind so stark verseucht, dass die japanische Regierung bereits erwägt, die Blöcke später mit einem Betonsarkophag zu überdecken – ähnlich wie im vor 25 Jahren zerstörten Atomkraftwerk von Tschernobyl.
Nadja Podbregar
Stand: 18.03.2011