Dazu kommt, dass über jedem Ort der Erde ein Gemisch unterschiedlicher Aerosole lagert, dessen Zusammensetzung – und damit auch Wirkung – zeitlich mehr oder weniger rasch wechselt. Diese Aerosol-Fracht speist sich zum einen aus zahlreichen natürlichen Quellen: etwa aus der Windgischt der Ozeane, aus der Staubfracht von Stürmen, aus Vulkanen oder aus Vegetationsbränden. Zum anderen aber treibt auch der Mensch regional und global den Aerosol-Gehalt der Atmosphäre hoch: mit der Nutzung fossiler Energieträger in Automobilen, Flugzeugen, Kraftwerken und Fabriken, mit der Verbrennung von Kohle oder Holz in unzähligen „heimischen Herden“ und Feuerstätten sowie über großflächige Brandrodungen zur Gewinnung von Weide- oder Anbauflächen.
Ihre Vielfalt, ihre Flüchtigkeit und ihr komplexer Einfluss auf den Strahlungs- und Wasserhaushalt der Atmosphäre machen die Aerosole zu insgesamt schwer berechenbaren Faktoren im Klimageschehen – und damit zu erheblichen Unsicherheitsfaktoren in Klimamodellen. So gilt zwar derzeit, dass sie den zusätzlichen, anthropogenen Treibhaus-Effekt global dämpfen. Demnach üben vor allem Sulfat-Aerosole, die über die Nutzung fossiler Energie durch den Menschen vermehrt in die Atmosphäre gelangen, einen erheblichen Bremseffekt“ aus. Denn sie fördern die Bildung von Wolken und erhöhen deren Lebenszeit – und vermindern dadurch den Strahlungsfluss von der Sonne zum Erdboden um bis zu zwei Watt pro Quadratmeter: Das würde den zusätzlichen, anthropogenen Treibhaus-Effekt, den man gegenwärtig auf einen um drei Watt pro Quadratmeter erhöhten Strahlungsfluss veranschlagt, deutlich mindern und gleichsam maskieren.
Doch diese pauschalen Zahlen sind keineswegs gesichert, und deshalb weisen Klimamodelle für den Anstieg der mittleren Temperatur in den nächsten Jahrzehnten immer noch einen beträchtlichen Spielraum aus – Unsicherheiten, die sich weder durch theoretische Berechnungen noch durch Experimente in einem Labor ausräumen oder eingrenzen lassen. Doch auch „Freilandstudien“, also Messungen vor Ort, liefern gewöhnlich keine global gültigen Aussagen. Denn der Aerosol-Status der Atmosphäre ist örtlich wie zeitlich ungemein wandelbar und hängt zudem von ebenfalls unsteten meteorologischen Bedingungen ab. In seltenen Fällen allerdings bieten sich Situationen, die einer Art Großexperiment in Sachen Aerosole gleichkommen. Und über zwei solche Glücksfälle konnten wir in den vergangenen Jahren interessante und überraschende Einblicke in das komplexe Zusammenspiel dieser mikroskopischen Schwebeteilchen mit Wolken gewinnen.
Der erste dieser beiden Fälle spielt in Mitteleuropa, und zwar im Gefolge der politischen Wende 1989: Nach diesem Datum wurden in der DDR, in Tschechien und Polen unzählige Industrieanlagen und Kraftwerke saniert oder stillgelegt – Dreckschleudern, die einst gewaltige Mengen an Schadstoffen in die Atmosphäre gepumpt und dieser Region den bezeichnenden Namen „Schwarzes Dreieck“ eingetragen hatten. Der Schauplatz des zweiten Falls liegt im südöstlichen Asien, und dort vor allem im Roten Becken im Süden Chinas: Dort steigt infolge einer rasanten Industrialisierung die Belastung der Luft mit Schadstoffen seit Jahren an, was auch die Aerosol-Pegel über dieser Region inzwischen auf weltweite Spitzenwerte treibt.
Stand: 08.04.2005