Nach seiner Rückkehr von der letzten erfolgreichen Plünderfahrt in die spanischen Überseegebiete am 9. August 1573 hat Francis Drake Zeit, viel Zeit. Denn mit dem Vagabunden- und Piraten-Dasein in der Karibik ist für einige Jahre Schluss. Drake hat den spanischen König Philipp II. genug geärgert, meint zumindest die britische Krone. Eine weitere Eskalation der Beziehungen zu Spanien kann und will England erst einmal nicht riskieren. Drake soll abtauchen und sich um andere Dinge kümmern. In den nächsten Jahren ist er unter anderem an einer militärischen Aktion in Irland beteiligt, er knüpft dort aber auch zahlreiche neue Kontakte.
Rachefeldzug geht weiter
Doch Drake hat seinen Rachfeldzug gegen die spanische Krone noch längst nicht abgehakt. Und ein weiterer Gedanke spukt ihm seit langem im Kopf herum: Den Pazifik will er bereisen, so viel ist klar. Aus den Zielen für seine nächste Expedition macht er jedoch ein großes Geheimnis. Er bespricht sich darüber nur mit wenigen Vertrauten, darunter Förderer und Gönner. Nach außen dringt dazu jedoch nahezu nichts.
Seine Pläne sind aber offenbar vielversprechend, denn geeignete Finanziers für die Reise sind bald gefunden. Ein Londoner Konsortium zeigt sich bereit, alle Kosten für die Ausrüstung der Expedition und den Unterhalt der Schiffe zu tragen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Thomas Gresham, der ein untrügliches „Näschen“ für lukrative Geldgeschäfte besitzt und bereits im Jahr 1571 die erste Londoner Börse gegründet hat. Gresham steht auch der britischen Krone sehr nahe, denn er fungiert als wichtiger Berater und Vertrauter von Königin Elisabeth der I. Vor allem, wenn es um finanzielle Dinge jeglicher Art geht. Von einer offiziellen Beteiligung der Krone an der geheimen Mission Drakes ist jedoch bis heute nichts bekannt.
Ägypten wartet…
Am 15. November 1577 sind schließlich alle Vorbereitungen abgeschlossen. Drake hat immerhin fünf Schiffe parat: sein Flaggschiff, die „Pelican“, – später „Golden Hinde“ -, die „Elisabeth“, die „Swan“, die „Marygold“ und die „Benedict“. Über 160 Mann an Bord der Flotte hören auf sein Kommando. Die Besatzung ist guten Mutes. Denn ihr hat man beim Anheuern unter anderem weißgemacht, dass es sich um eine vergleichsweise simple und einigermaßen ungefährliche Handlungsreise nach Alexandria in Ägypten handelt.
Doch das Unternehmen beginnt mit einem klassischen Fehlstart. Ein Unwetter trifft die Flotte noch vor der Küste Englands und sorgt für schwere Schäden an den Schiffen. Es dauert Wochen, bis alle Schäden behoben sind.
…doch nicht
Erst am 13. Dezember können erneut die Segel gesetzt werden. Dieses Mal funktioniert alles wie am Schnürchen. Von Plymouth aus geht es zunächst ohne große Probleme an der französischen und spanischen Küste entlang. Als die Schiffe auch die Straße von Gibraltar links liegen lassen, ist jedem Matrosen klar: Drake hat sie mit dem angegebenen Ziel hinters Licht geführt. Das Murren der Besatzung ist nicht zu überhören, aber Drake hat die Lage im Griff. Nach einem Zwischenstopp an der afrikanischen Nordwestküste und auf den Kapverden um neue Verpflegung aufzunehmen, segelt er mit seiner Flotte schließlich über den Atlantik Richtung Südamerika. Die Überseegebiete sind zu dieser Zeit fest in portugiesischer und spanischer Hand.
Vor der südamerikanischen Ostküste in Höhe des heutigen Brasiliens angekommen, wenden sich die englischen Seefahrer Richtung Süden bis Drake und Co. an die Mündung des Rio de la Plata kommen. Hier wird erst mal Station gemacht um frisches Trinkwasser und Nahrung aufzunehmen, es bleibt aber auch Zeit um Land und Leute zu erforschen. Was die Europäer dabei erleben, beschreibt ein Besatzungsmitglied in seinen Aufzeichnungen später so: Die Menschen sind „zumeist nackt […] sie hatten lange Haare und hatten ihre Körper rot, weiß und schwarz bemalt und gegen die Kälte eingeölt […] ihr Erscheinungsbild war furchteinflößend, sie hatten sich kleine Knochen durch Nase und Ohrläppchen gesteckt, waren aber sehr freundlich“.
Ein Traum wird Wirklichkeit
Doch schon bald geht es wieder auf See, erneut Richtung Süden. Spätestens jetzt wird zumindest den geographisch gebildeten Mitreisenden klar, dass nur die Magellanstraße das Ziel sein kann – die einzige bis dahin bekannte Zufahrt zum Pazifik auf dem westlichen Seeweg. Als Drake dort ankommt, ist seine ohnehin kleine Flotte weiter geschrumpft. Zwei der fünf Schiffe mussten zwischenzeitlich abgewrackt und verbrannt werden. Doch in der Magellanstraße läuft alles bestens, innerhalb von nur gut zwei Wochen ist sie durchquert. Drakes erster Traum hat sich erfüllt: der Pazifik, der „Stille Ozean“ ist erreicht…
Dieter Lohmann
Stand: 02.09.2011