Technik

Elektronische Schluckhilfe

Auf dem Weg zum Hightech-Implantat

Auch das jüngste Projekt von Thomas Schauer vom Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg, das er zusammen mit Medizinern des Unfallkrankenhauses Berlin angeht, setzt auf die Bioimpedanz-Messung. Es geht um die Behandlung von Schluckstörungen. So wie ein Schlaganfall durch das Absterben von Hirnarealen oft die Beinmuskulatur lähmt, kann er auch die Schluckmuskulatur beeinträchtigen.

In solchen Fällen wird die Luftröhre beim Schlucken nicht mehr vollständig verschlossen. Speisereste oder Getränke rutschen in die Lunge, was zu schweren Entzündungen führt. Als Lösung bleiben heute oftmals nur ein Luftröhrenschnitt oder die Sondenernährung, ein Schlauch, über den der Pfleger die Nahrung in den Magen spritzt.

Endoskopisches Bild eines Kehlkopfes © Samir / GFDL

Innovationspreis Medizin für die Schluckhilfe

Gelänge es, den Kehlkopfbereich wie ein gelähmtes Bein anzusteuern, ließe sich die Schluckmuskulatur gezielt aktivieren und die Luftröhre schützen. Über die Bioimpedanz-Messung würde das System die Muskelarbeit kontrollieren und beurteilen, ob Nahrung in Richtung Speiseröhre wandert oder unbeabsichtigt in der Luftröhre landet.

Von außen messen, ob man sich verschluckt? Diese Idee erschien Schauer und seinem medizinischen Partner Rainer Seidl vom Unfallkrankenhaus Berlin anfangs selbst etwas abwegig. Sie besorgten sich deshalb einen Rinderkehlkopf und steckten im Labor hauchdünne Nadelelektroden in das Gewebe. „Wir wussten ja noch gar nicht, inwieweit sich Widerstandsänderungen von außen überhaupt messen lassen, wenn Flüssigkeiten durch den Kehlkopf rinnen.“

Vielversprechende Tests

Die ersten Versuche verliefen vielversprechend. Und so klebten sich Schauer und seine Kollegen schließlich selbst Elektroden an den Hals. „Inzwischen können wir aus den Widerstandswerten tatsächlich auf die Aktivität der Muskulatur und den Schluckvorgang schließen.“

Vor Kurzem haben Schauer und Seidl den Innovationspreis Medizintechnik des Bundesforschungsministeriums gewonnen. Diese Finanzspritze hilft ihnen, das Projekt weiter voranzutreiben. Am Ende soll ein Hightech-Implantat entstehen, von dem wohl die wenigsten je gehört haben. Arm- und Beinprothesen kennt man. Raisch, Schauer und Seidl aber werden, wenn alles glattgeht, etwas anderes schaffen: eine elektronische Schluck-Prothese, die den Kehlkopf in Bewegung bringt.

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Tim Schröder / MaxPlanckForschung
Stand: 29.07.2011

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Inhalt des Dossiers

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Elektronische Schluckhilfe
Auf dem Weg zum Hightech-Implantat

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