Aids, Ebola, SARS – im Zeitalter der neuen Seuchen, der so genannten „emerging disease“, gehört das plötzliche Auftauchen bisher unbekannter Krankheitserreger für Mediziner längst zur Normalität. Rund 30 neue Virusinfektionen sind seit 1967 bekannt geworden, als in dem kleinen Universitätsstädtchen Marburg der gleichnamige Virus ohne Ankündigung für Aufregung sorgte. Sechs Menschen starben damals, 23 waren infiziert. Auffällig dabei: fast alle der Erreger hatten ihren Ursprung im Tierreich und sprangen von Affen oder Zibetkatzen auf den Menschen über.
Die Vogelgrippe jedoch ist keine neue „Erfindung“ der Natur. Bereits seit mehr als 100 Jahren sind im Tierreich Influenza-Epidemien weltweit bekannt. Ausgelöst werden sie von einer Virengruppe, die relativ nahe mit den menschlichen Grippeviren verwandt ist, normalerweise aber nur Vögel und seltener auch Schweine befällt.
Wie Wissenschaftler des National Institute for Medical Research im Februar 2004 in einer Studie entdeckt haben, ist ein Vogelgrippe-Virus vermutlich aber auch für die bisher schlimmste Grippe-Epidemie in der Menschheitsgeschichte verantwortlich. Zwischen 1918 und 1920 erreichte die so genannte „Spanische Grippe“ innerhalb von einem halben Jahr auch die entlegensten Winkel der Erde und sorgte weltweit in mehreren Infektionswellen für mindestens 40 bis 50 Millionen Tote.
Die Forscher gehen davon aus, dass der damalige Erreger H1N1 zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Sprung vom Tier- zum Menschenvirus geschafft hat und sich dann später ungehindert über eine Tröpfcheninfektion weiter verbreiten konnte.
Vogelgrippe-Viren: Harmlos und brandgefährlich
Wissenschaftler unterscheiden heute mindestens 15 verschiedene gefährliche Unterarten des Influenza-Virus im Tierreich, die zumeist von Zugvögeln an Zuchtgeflügel weiter gegeben werden. Während die natürlichen Überträger der Viren wie Enten oder Gänse weitgehend immun gegen diese Erreger zu sein scheinen, sind Hühner oder Puten oft anfällig für die Geflügelpest, die schnell epidemieartige Züge annehmen kann.
Manche dieser Vogelgrippe-Viren sind eher harmlos, andere besitzen dagegen ein enormes Gefahrenpotential. Dazu gehört beispielsweise H5N1. Der Virus – so viel wissen die Forscher heute – verändert nicht nur dauernd sein Aussehen und nähert sich genetisch gesehen den menschlichen Influenza-Viren immer mehr an, er übersteht auch niedrige Temperaturen oder Frost ohne größere Schäden. In kontaminiertem Mist oder Gülle kann H5N1 mehr als drei Monate überleben. Ein einziges Gramm Dung enthält genug Viren, um eine Million Vögel zu infizieren.
Anfällig ist der Virus dagegen gegen hohe Temperaturen und herkömmliche Desinfektionsmittel wie Formalin. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit sind deshalb „gekochte oder anderweitig erhitzte Lebensmittel als frei von infektiösen Viren anzusehen. Eine Infektion über Lebensmittel ist bisher nicht bekannt.“
Stand: 28.10.2005