„Ich denke, dass die Empathie zu einem Erbe gehört, dass so alt wie die Abstammungslinie der Säugetiere ist“, schreibt der Zoologe und Verhaltensforscher Frans de Waal. Und tatsächlich: Nicht nur der Mensch ist zum Mitfühlen fähig. Viele andere Tiere zeigen ebenfalls zumindest Ansätze von Empathie.
Emotionale Ansteckung
Als grundlegende Voraussetzung für die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, gelten die sogenannte Gefühlsansteckung und die motorische Nachahmung. Das Imitieren von Bewegungen lässt sich bei den meisten sozialen Lebewesen beobachten und bildet unter anderem die Basis für Lernprozesse. Auch bei der emotionalen Ansteckung erfolgt häufig eine Art Nachahmung: So lächeln oder gähnen wir oft unwillkürlich mit, wenn unser Gegenüber dies tut.
Zusätzlich findet dabei aber eine Stimmungsübertragung statt. Wer sich von dem Lächeln eines Mitmenschen anstecken lässt, bei dem steigt fast automatisch auch die Laune. Diese lange Zeit als typisch menschlich geltende Eigenschaft ist inzwischen bei Tieren wie Schimpansen und Orang-Utans, aber auch bei Hunden und Schweinen nachgewiesen worden. Sogar Raben lassen sich von den Emotionen anderer anstecken. Wie Experimente zeigen, schätzen die Vögel eine Situation deutlich pessimistischer ein, wenn sie zuvor einen frustrierten Artgenossen beobachtet haben.
Hilfe ohne Eigennutz
Bei Menschen führt die emotionale Perspektivübernahme in der Regel zu situationsgerechtem, altruistischem und prosozialem Verhalten: Wir trösten, wenn es jemandem schlecht geht oder helfen, wenn jemand in Not ist. Doch wie sieht das bei Tieren aus? Veranlasst das Mitleiden auch andere Arten zu entsprechenden Handlungen?
Experimente zeigen, dass Schimpansen sogar fremden Artgenossen oder Menschen zur Hilfe eilen, wenn diese verzweifelt wirken. Das Entscheidende: Die Menschenaffen tun dies, ohne dafür eine Belohnung einzufordern oder zu erhalten. Das spricht dafür, dass sie allein das Mitfühlen mit dem anderen zum Handeln animiert.
Mitleidende Affen
Berühmt für ihre scheinbar von Empathie angetriebene Tat wurde Gorilladame Binti Jua: Sie rettete im August 1996 einen Jungen, der in ihr Gehege im Zoo von Chicago hinabgestürzt war. Binti nahm den Dreijährigen auf den Arm und trug ihn vorsichtig zur Pforte des Geheges, wo sie ihn ablegte, worauf das Zoopersonal den Jungen bergen konnte.
Ähnliche Zusammenhänge haben Forscher auch bei Rhesusaffen beobachtet: Boten sie den Tieren Nahrung an, wenn dafür andere Rhesusaffen schmerzhafte Elektroschocks bekamen, lehnten die Affen diese Nahrung ab. Die Schreie der Artgenossen veranlassten mehrere von ihnen dazu, lieber Hunger zu leiden – sie fühlten offenbar mit ihren Kollegen.
Sind auch Ratten empathisch?
Menschenaffen und andere Primaten sind relativ eng mit uns Menschen verwandt. Doch auch außerhalb dieser taxonomischen Ordnung gibt es Tiere, die auf Mitgefühl hindeutendes Verhalten an den Tag legen – die evolutionären Wurzeln der Empathiefähigkeit scheinen demnach erstaunlich tief zu liegen.
So haben Forscher vor kurzem etwa Hinweise darauf entdeckt, dass selbst Ratten Empathie empfinden: Im Experiment befreiten die Nager eingesperrte Artgenossen, die sichtbar litten, aus einem Gefängnis. Sogar wenn den Tieren Leckereien angeboten wurden, ließen sie zunächst die andere Ratte frei. Ihr Mitgefühl war noch stärker als die Naschsucht.