Geologie/physische Geographie

Energie aus der tiefen Glut

Warum bohrt man einen Vulkan an?

Eines der größten Reservoire erneuerbarer Energie liegt unter unseren Füßen – es ist das heiße Innere unseres Planeten. Vor allem dort, wo Vulkane und hydrothermale Quellen die Hitze dicht an die Oberfläche bringen, kann diese relativ leicht zur Gewinnung von Strom und Wärme genutzt werden. In Deutschland ist dies beispielsweise im Oberrheingraben der Fall.

Fagradalsfjall
Island ist eine vulkanisch höchst aktive Region, wie zuletzt der Ausbruch des Fagradalsfjall im Sommer 2023 demonstrierte. © Anthony Quintano/ CC-by-sa 2.0

Vorreiter in der Geothermie ist in Europa aber vor allem Island. Dort sorgt der durch die Insel verlaufende mittelatlantische Rücken für ein Aufreißen der Erdkruste und damit verbunden für starke vulkanische Aktivität. Immer wieder kommt es auf Island zu Ausbrüchen der aktiven Feuerberge – 2010 legte die Eruption des Gletschervulkans Eyjafjallajökull den Flugverkehr in halb Europa lahm, 2014 spie der Bárdarbunga monatelang Feuer und seit 2021 tritt Lava aus dem nahe Reykjavik gelegenen Vulkan Fagradalsfjall aus.

Geothermie hätte mehr Potenzial

Trotz der ständigen Gefahr durch seine aktiven Vulkane profitiert Island jedoch auch von seinem feurigen „Unterbau“: Rund ein Viertel seines Stroms und 90 Prozent der Wärme gewinnt das Land aus der Geothermie. Dabei wird entweder schon im Untergrund vorhandenes heißes Wasser gefördert oder es wird kaltes Wasser in die Bohrlöcher gepumpt, das sich dort aufheizt und als Dampf Turbinen antreiben kann. Das aus rund 1.000 bis 2.000 Meter Tiefe geförderte Wasser ist je nach Standort zwischen 80 und 200 Grad heiß.

Allerdings: Bisher nutzen selbst diese weltgrößten Geothermie-Kraftwerke nur einen Bruchteil der in der Tiefe schlummernden Energie: „Die Effizienz dieser Anlagen bei der Umwandlung von hydrothermalen Fluiden in Strom liegt in der Größenordnung von nur rund zehn Prozent“, erklären John Eichelberger von der University of Alaska in Fairbanks und seine Kollegen. Hinzu kommt, dass diese Geothermie-Anlagen oft neue Bohrlöcher anlegen müssen, weil Hitze und Dampfdruck an älteren Bohrstellen schnell nachlassen.

Mehr Energie durch überkritischen Dampf

Doch es ginge auch anders: Schon Anfang der 2000er Jahre entwickelten Geowissenschaftler die Idee, noch tiefer in den Untergrund zu bohren – bis an die Grenze der vulkanischen Magmareservoire. Denn dort ist das Gestein mehr als 1.000 Grad heiß und der Druck mit mehr als 200 Bar so hoch, dass Wasser in den überkritischen Zustand übergeht. In diesem zeigt das Wasser keinen Unterschied mehr zwischen flüssig oder gasförmig und schießt als extrem heißes, dichtes Hochdruck-Fluid nach oben.

Solche superkritischen Fluide haben einen weit größeren Energiegehalt als normaler Wasserdampf. „Diese Fluide könnten den Energietransport zur Oberfläche um das Zehnfache erhöhen und die Effizienz der Stromerzeugung aus dieser Hitze um das Dreifache steigern“, erklären Eichelberger und seine Kollegen. „Bis in eine Magma-nahe Fluidquelle vorzustoßen könnten daher zu einem Game-Changer für die Geothermie werden.“

Geothermie-Kraftwerk
Island ist Vorreiter der Geothermie-Nutzung, aber selbst dort ist Wärmegewinnung aus dem Untergrund nicht sehr effizient. © Narvikk/ Getty images

Magma als fast unerschöpfliche Energiequelle

Ein weiterer Vorteil: Bei einer normalen Geothermie-Bohrung nimmt durch das ständige Abführen von Wärme die Energieausbeute mit der Zeit ab. Bohrt man aber bis an die Grenze einer vulkanischen Magmakammer, ist dies anders. „Magma ist ein um eine Größenordnung besseres und effektiveres Speichermedium für thermische Energie als festes Gestein“, erklärt Eichelberger. Der Grund ist die latente, bei der Kristallisation freigesetzte Wärme: Ein Kubikkilometer geschmolzenes Silikatgestein würde beim Auskristallisieren eine Trillion Joule an Wärmeenergie abgeben – genug, um 30 Jahre lang ein Gigawatt thermischer Leistung zu gewinnen.

Hinzu kommt, dass sich eine solche vulkanische Wärmequelle quasi von selbst immer wieder regeneriert: Konvektionsströmungen im glutflüssigen Magma sorgen dafür, dass das abgekühlte, erstarrte Gestein nach unten absinkt und frisches, heißes Magma nach oben steigt. „Wenn der Abstand des Bohrlochs zur Magmakammer gering genug ist, nutzen wir diese Energie und der Nachschub ist nach menschlichen Zeitmaßstäben nahezu endlos, sofern der Magmakörper groß genug ist“, sagt Eichelberger.

Doch um solche idealen Bedingungen zu erreichen, ist ein gewagtes Vorgehen nötig: Man muss einen Vulkan anbohren…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ein Vulkan wird angebohrt
Der isländische Vulkan Krafla, ein Bohrloch und die Geothermie

Energie aus der tiefen Glut
Warum bohrt man einen Vulkan an?

Der erste Versuch
IDDP-Bohrung 1 stößt auf Magma

Magma, Dampf und Korrosion
Was die Krafla-Bohrung verraten hat

Rückkehr zum Krafla-Vulkan
Neue Bohrung in die Magmakammer

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