In der Evolution gilt, dass die Tiere, die am besten angepasst sind, überleben und sich fortpflanzen. Wer also beispielsweise nicht schnell genug vor Räubern weglaufen kann, hat „verloren“. Für das Faultier (Folivora) scheint letzteres aber nicht zu gelten.
Viel Schlaf und Ruhe
Tatsächlich zählen Faultiere zu den gemächlichsten Tieren überhaupt: Die Einzelgänger verbringen einen Großteil ihres Lebens schlafend. Lange nahm man an, dass sie etwa 60 bis 80 Prozent ihres Tages dösen. Das gilt jedoch hauptsächlich für in Gefangenschaft lebende Vierbeiner, wie Forscher um Niels Rattenborg vom Max-Planck-Institut für Ornithologie herausgefunden haben.
Mittels Messungen der Gehirnströme von freilebenden Dreifingerfaultieren in Süd- und Mittelamerika konnten sie feststellen, dass es in freier Wildbahn nur rund zehn Stunden Schlaf pro Tag sind. Allerdings kann die Schlafdauer der Tiere von Tag zu Tag und je nach Jahreszeit wechseln. Und selbst, wenn die Faultiere nicht tief schlafen, ruhen sie meistens.
Diese lange Schlafens- und Ruhezeit der Faultiere hat aber nichts mit Faulheit zu tun. Stattdessen sparen die Tiere damit eine Menge Energie. Und auch die Art und Weise, wie sie schlafen, ist besonders sparsam. Denn die Vierbeiner setzten sich etwa auf Astgabelungen in den Baumkronen oder hängen sich kopfüber ins Geäst. Dabei klammern sie sich mit ihren zehn Zentimeter langen, gebogenen zwei beziehungsweise drei Fingerkrallen und den drei Fußkrallen fest. Weil sie dafür kaum Muskelkraft benötigen, wird nur wenig Energie gebraucht.
In Zeitlupe unterwegs
Selbst wenn sie sich außerhalb ihrer Ruhephasen bewegen, sind Faultiere wahre Energiesparer: Klettern sie kopfüber etwa von einem Ast zum nächsten, tun sie das sehr langsam. Als langsamste Säugetier-Spezies erreichen die gemächlichen Tiere in den Baumwipfeln Geschwindigkeiten von höchstens 300 Metern pro Stunde. Am Ast hängend tragen die ausgewachsenen Faultiere oft ihre Jungen, die sich so noch weniger bewegen müssen.
Auf dem Boden sind Faultiere noch langsamer unterwegs als beim Klettern. Denn sie können nicht laufen, sondern kriechen vielmehr und krallen sich im Boden fest, um sich weiterzuziehen. Dafür können sie aber schwimmen, indem sie im Wasser mit ihren Armen kraulen und diese dabei etwa drei Mal schneller als üblich bewegen, um nicht unterzugehen.
Besondere Anatomie der Vordergliedmaßen
Die langsamen Bewegungen sind vor allem der Anatomie der Faultiere geschuldet, wie ein Forscherteam um John Nyakatura von der Universität Jena ermittelt hat. Die Wissenschaftler filmten und analysierten die Bewegungsabläufe von drei Zweifinger-Faultieren und erfassten ihre Anatomie mithilfe einer Röntgenvideoanlage. „Zu unserer großen Überraschung unterscheidet sich die Fortbewegung der Faultiere im Prinzip gar nicht so sehr von der anderer Säugetiere, etwa der Affen, die statt am Ast zu hängen, auf dem Ast entlang balancieren“, sagt Nyakatura. „Ihre Beinstellung und die Beugung der Gelenke entsprechen exakt denen anderer Säugetiere beim Laufen.“
Dafür aber unterscheiden sich die Faultiere von anderen Säugetieren in der Anatomie der vorderen Gliedmaßen. „Faultiere besitzen sehr lange Arme, aber nur sehr kurze Schulterblätter, die frei beweglich einem schmalen, abgerundeten Brustkorb aufliegen. Das verleiht ihnen einen maximalen Bewegungsradius“, erklärt Nyakatura. Außerdem sei es bei den Faultieren zu einer Verschiebung der Ansatzstellen bestimmter Muskeln gekommen. Das ermögliche es ihnen, das eigene Körpergewicht mit möglichst geringem Energieaufwand zu halten.
Hinzu kommt, dass auch innere Organe an das ständige Kopfüberhängen angepasst sind: Der Magen und etwa die Leber sind bei Faultieren so verschoben und mit den Rippen verbunden, dass sie beim Kopfüberhängen nicht auf die Lunge drücken.