Viele Aspekte des Magnetsinns bleiben noch ungeklärt. Den Münchener Forscher Michael Winklhofer spornt das nur zusätzlich an: „Man muss sich vor Augen halten, dass es sich hierbei um ein relativ junges Forschungsfeld handelt, man kann also noch Grundlegendes entdecken. Das betrifft nicht nur die Biophysik des Magnetsinns selbst, sondern auch die Biomineralisation von Magnetit in Fischen und Vögeln.“
Magnetitbildung frühe Errungenschaft der Evolution?
Als nächstes will er ergründen, wie die Fische die relativ großen Magnetit-Kristalle in ihren Zellen überhaupt bilden. Seine Versuchstiere sollen dann Zebrafische sein. Sie können auf magnetische Reize konditioniert werden, und auch bei ihnen finden sich Magnetit-haltige Zellen in der Nasengrube. Im Gegensatz zu anderen Fischen ist ihr Erbgut aber komplett entschlüsselt, und so lassen sich vielleicht durch Untersuchungen an Mutantenlinien die Gene identifizieren, welche die Magnetitproduktion steuern.
„Die Biomineralisation von Magnetit im Tierreich lässt sich stammesgeschichtlich mindestens bis zu den primitivsten Mollusken, den Käferschnecken, zurückverfolgen und so ist es denkbar, dass sich der Magnetsinn schon ganz früh in der Evolution herausgebildet hat.“ Vielleicht erklärt das auch, warum er heute noch in den verschiedensten Tiergruppen einschließlich den Säugern zu finden ist.
Hirsche, Fledermäuse, Nacktmulle
So haben deutsche und tschechische Biologen vor kurzem berichtet, dass sich Hirsche und Rinder entlang einer magnetischen Nord-Süd-Achse auf die Weide stellen – die Forscher hatten dafür Satellitenbilder ausgewertet. In der Nähe von Hochspannungsleitungen standen die Tiere dagegen kreuz und quer. Auch Fledermäuse verlassen sich auf ihren nächtlichen Touren offenbar auf einen inneren Magnetkompass, den sie wie nachtziehende Singvogelarten an der untergehenden Sonne kalibrieren. Sogar der Nacktmull, ein haarloses Nagetier aus den Halbwüsten Ostafrikas, richtet seine unterirdischen Höhlensysteme an der magnetischen Nord-Süd-Achse aus.
Michael Winklhofer hat gleich mal Proben vom Gehirn und vom Gesichtsnerv der Nager vermessen, die ihm ein Kollege aus Prag geschickt hat. Sie waren nur schwach magnetisch, enthielten nur Spuren von Magnetit. „Das heißt aber noch gar nichts“, meint er. Für einen einfachen Kompass reiche die Menge vielleicht schon aus. Die Suche nach dem sechsten Sinn geht weiter.
Marieke Degen, Magazin Einsichten/ LMU München
Stand: 01.04.2011