Der Sonnenwind schirmt uns zwar in Teilen vor dem interstellaren Medium ab, aber wirkt dabei nicht als vollkommene Barriere. Die ungeladenen Atome des LISM können aufgrund der sehr geringen Teilchendichten die Heliosphäre zunächst fast ungehindert durchdringen. Mit geringer werdendem Abstand zur Sonne verstärken dann Ladungsaustausch und solare Strahlung die Ionisation dieses „neutralen interstellaren Windes“, was seinen Fluss verringert.
Der Wasserstoff ist harmlos…
Wie wirkt sich dieses Eindringen des interstellaren Wasserstoffs und der kosmischen Strahlung in die Heliosphäre auf die Erde aus? Diese Frage können Physiker bisher nur zum Teil beantworten. Klar ist: Das hauptsächlich aus reaktionsfreudigen Wasserstoffatomen bestehende interstellare Medium kann planetare Atmosphären prinzipiell chemisch beeinflussen. Der Wasserstofffluss ist jedoch gegenwärtig für die Erdatmosphäre ohne Konsequenzen. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch sein Einfluss auf die Heliosphärenstruktur infolge der Plasma-Neutralgaswechselwirkung, die den Sonnenwind abbremst und damit die Lage des Terminations-Schocks beeinflusst.
…doch die kosmische Strahlung verändert die Atmosphäre
Eine zweite, schwerwiegendere Einwirkung des LISM auf die Erde erfolgt über die kosmische Strahlung, insbesondere über den Anteil geladener Teilchen im Gigaelektronenvolt-(GeV)-Bereich. Sie haben ihren Ursprung in Supernovaexplosionen oder in den der Heliosphäre entsprechenden Astrosphären anderer Sterne unserer Milchstraße. Die Wechselwirkung mit den fluktuierenden elektrischen und magnetischen Feldern des Sonnenwindes verringert zwar den Fluss dieser kosmischen Strahlung, ihre Wirkung auf die Erde kann aber nicht vernachlässigt werden.
Im Gegenteil: Es ist bekannt, dass die galaktische kosmische Strahlung mit atmosphärischen Teilchen zu radioaktiven, so genannten kosmogenen Isotopen reagiert. Diese können in antarktischen Eisbohrkernen nachgewiesen werden. Diese Reaktion trägt zur Ionisation der Erdatmosphäre bei und steht darüber hinaus wie die solare Strahlung unter Verdacht, das Klima der Erde zu beeinflussen.
Klimawirkung kosmisch oder solar?
Mit diesem Verdacht ist eine wissenschaftliche Debatte darüber entbrannt, welcher astrophysikalische Einfluss von höherer Relevanz für das Erdklima ist: die solare elektromagnetische oder die galaktische kosmische Strahlung? Für keinen von beiden ließ sich bisher eine quantitativ überzeugende Prozesskette identifizieren.
So ist zwar klar, dass die elektromagnetische Strahlung der Sonne die Atmosphäre ionisiert und erwärmt. Die verstärkte Emission ultravioletter Strahlung erhöht außerdem das stratosphärische Ozon um einige Prozent, und solche Veränderungen beeinflussen die Dynamik der Atmosphäre. Allerdings variiert der gesamte elektromagnetische Energieinput in die Erdatmosphäre nur um wenige Promille und kann daher nicht direkt, das heißt ohne Verstärkungseffekte, beispielsweise durch Beeinflussung der Atmosphärenchemie, für die beobachteten Klimaschwankungen verantwortlich sein.
Ähnliches gilt für den Einfluss der kosmischen Strahlung. Auch sie führt zur Ionisation der Atmosphäre und sogar zur Bildung von Aerosolen, in deren Folge sich wiederum Wolken bilden können. Zwar wäre so eine Prozesskette gegeben, die eine Klimabeeinflussung erklären kann, aber der zweifelsfreie Nachweis einer induzierten Wolkenbildung steht noch aus.
Horst Fichtner / aus RUBIN (Ruhr-Universität Bochum)
Stand: 04.06.2010