Knapp 70 Jahre reichen die Erdgasreserven weltweit nach Schätzungen von Rohstoffexperten noch – vorausgesetzt die Nachfrage steigt nicht noch stärker an als vermutet und alle identifizierten Lagerstätten können auch wirklich abgebaut werden. Rechnet man die Erdgasvorkommen hinzu, die bislang technisch oder wirtschaftlich nicht nutzbar sind, kommt man auf rund 170 Jahre. Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich beruhigend.
Das Schielen nach Alternativen
Kein Wunder, das Wissenschaftler, Ingenieure und Rohstoffmultis bei ihrer Suche nach neuen Energierohstoffen mittlerweile auch nach Alternativen schielen, die man bisher links liegen gelassen hatte. Ins Visier der Gasfirmen geraten sind dabei auch Speicher, die nur mit technisch aufwändigen Methoden angezapft werden können und deshalb auch als unkonventionelle Ergasvorkommen bezeichnet werden. Dazu gehört neben Gashydraten und Flözgasen in Kohlegruben auch das Erdgas in Tonsteinen wie Schiefer – so genanntes Shale Gas.
Das Potenzial dieser unkonventionellen Gasquellen ist riesig. Erste vorsichtige Berechnungen haben ergeben, dass fünf Mal so viel davon im Untergrund schlummert als von „normalem“ Erdgas. Allein die weltweiten Vorkommen an Shale Gas betragen vermutlich erstaunliche 450 Billionen Kubikmeter. Zum Vergleich: Die Netto-Weltförderung von Naturgas im Jahr 2004 betrug nur knapp 2.700 Milliarden Kubikmeter. Wenn es gelingt dieses Reservoir zu nutzen, wäre die Erdgasversorgung für Jahrzehnte gesichert. Doch woher stammt das Shale Gas eigentlich? Und kann man es überhaupt fördern?
Ein geologischer „Fahrstuhl“ als Hilfsmittel
Entstanden ist Shale Gas im Laufe von Jahrmillionen nachdem sich große Mengen an abgestorbenem organischen Material beispielsweise am Grund flacher Meere angesammelt hatten. Aufgrund von Sauerstoffmangel konnten die Überreste der Lebewesen dort nicht verwesen. Durch Sedimente, die sich immer wieder darüber ablagerten oder Bewegungen der Erdkruste sanken diese Schichten in einem geologischen „Fahrstuhl“ immer tiefer, bis schließlich perfekte Bedingungen für die Bildung von Erdgas (oder auch Erdöl) herrschten: enormer Druck und hohe Temperaturen. Das entstehende Gas wurde mit der Zeit eingeschlossen in Speichergesteine wie Schiefer und lagert heute mehrere hundert oder tausend Meter tief unter der Erdoberfläche.
Abbau unmöglich?
An das Shale Gas heranzukommen ist nicht leicht, denn die Gasfelder stellen Forscher und Rohstofffirmen vor einige Probleme. Das beginnt schon damit, dass bisher weder die Größe noch die Lage aller vielversprechenden Shale-Gas-Vorkommen genau bekannt ist. Hinzu kommt, dass sich das Shale Gas mit der herkömmlichen Technik kaum abbauen lässt. Es befindet sich überwiegend in winzigen Poren oder Bruchzonen des Schiefers. Da dieses Gestein nur wenig durchlässig ist, sammelt sich das Shale Gas nicht in gewaltigen Blasen und kann deshalb auch nicht mit einer einfachen vertikalen Tiefenbohrung abgesaugt werden.
Horizontal statt vertikal
Stattdessen kommen hier Technologien zum Einsatz, die erst in den letzten zehn Jahren entwickelt worden sind – zum Teil speziell für die Shale Gas-Förderung. Als Quantensprung haben sich insbesondere horizontale Bohrungen erwiesen. Dabei frisst sich das Bohrgerät zunächst hunderte von Metern senkrecht in die Tiefe und arbeitet sich dann, wenn der Zielbereich erreicht ist, horizontal weiter vorwärts.
So können nicht nur Lagerstätten, die beispielsweise unter Großstädten liegen abgebaut werden, die Bohrung verbindet auch zahlreiche natürliche, meist senkrecht verlaufende Bruchstellen im Schiefergestein. Dadurch sammelt sich mehr freies Gas an und die Produktion steigert sich enorm.
Forscher zerstören Schieferschichten
Lässt der Gasstrom einige Zeit nach Erschließung einer Quelle trotzdem nach, kommt ein weiteres neues Verfahren zum Einsatz, das „hydraulic fracturing“. Dabei wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser und Sand oder Gel in das Bohrloch gepresst, das die Schieferschichten zerstört und für viele neue Bruchstellen im Gestein sorgt. Das Shale Gas kann anschließend besser fließen und strömt wieder mit Macht aus der Quelle – sehr zur Freude der Gasfirmen.
Als enorm effektiv bei der Suche nach ergiebigen Shale Gas-Vorkommen hat sich dagegen die seismische 3D-Analyse erwiesen. Mit diesem Verfahren, das auf der Untersuchung des Erdinneren mithilfe von Schallwellen beruht, können Wissenschaftler zum Beispiel die Lage der Gasfelder präziser auskundschaften. Das Verfahren gibt aber auch Auskunft über die Größe und Ausdehnung der gashaltigen Schichten.
Boom in den USA
Da all diese Methoden sehr teuer sind, waren die Shale Gas-Vorkommen lange Zeit nicht wirtschaftlich abbaubar. Durch die erheblich gestiegenen Gaspreise hat sich die Situation in den letzten Jahren aber schlagartig verändern. Längst ist das Shale Gas zu einer sprudelnden Einnahmequelle für die Gasfirmen geworden – vor allem in den USA…
Stand: 10.10.2008