In Bezug auf ihre Schwerkraft gleicht die Erde eher einer Kartoffel als einer Kugel: Sie ist an einigen Stellen eingedellt, an anderen ausgebeult. Diese Unebenheiten entstehen unter anderem durch Bereiche besonders hoher Dichte in der Erdkruste oder im Erdmantel. So befinden sich beispielsweise große Senken rund um den Pazifischen Ozean, im Westen des Atlantiks, unter dem Rossmeer in der Antarktis oder unter den Tiefseegräben des Indischen Ozeans.
Für die Geowissenschaftler sind diese lokalen Schwankungen der Schwerkraft Gold wert. Denn sie geben wertvolle Einblicke auch in das Innenleben unseres Planeten. Sie verraten einiges über die verschiedenen Schichten des Erdinneren und helfen dabei, elementare Prozesse der Krustenbewegung und des Erdmantels nachzuvollziehen und zu erforschen.
„Plattenfriedhöfe“ dellen Schwerkraft ein
So entdeckten Wissenschaftler des California Institute of Technology (Caltech) im Mai 2010 mit Hilfe eines neuen Modells, dass viele Stellen mit niedriger Schwerkraft genau dort auftreten, wo Gestein der Erdkruste durch die Plattentektonik in die Tiefe gedrückt wird. An diesen Subduktionszonen wandern zwei tektonische Platten aufeinander zu, eine der beiden wird dabei überschoben und sinkt wegen ihrer hohen Dichte bis in den unteren Erdmantel hinab.
Das Absinken der dichteren Krustenplatten erzeugt Turbulenzen im Mantel, die leichteres, weniger dichtes Gestein aus tieferen Schichten nach oben befördert. Dieser Aufstieg wiederum, möglicherweise verbunden mit chemischen Reaktionen zwischen abgesunkenen Krustenplatten und Mantelgestein, sorgt für ein regionales Absinken der Schwerkraft und verändert damit auch die über das so genannte Geoid dargestellten Abweichungen im Erdschwerefeld – die „Erdkartoffel“ erhält eine Delle.
Verformung durch Tsunami von 2004
Aber nicht nur solche fortlaufenden Vorgänge prägen die Schwereform unseres Planeten, auch Einzelphänomene wie Vulkanausbrüche und Erdbeben verursachen messbare Schwankungen im Schwerefeld.
Ein Beispiel dafür ist die Tsunami-Katastrophe, die sich nach einem Seebeben der Stärke 9,0 im Dezember 2004 vor Sumatra ereignete. Beim Abtauchen unter die Burmesische Platte hatte sich damals die Indische Platte verhakt und zu einer Hebung des Seebodens um sechs Meter auf einer Länge von über 1.000 Kilometer geführt. Wissenschaftler der ESA maßen mit Hilfe des Satelliten Grace nach dem Beben in dieser Region immerhin eine Veränderung der Geoidhöhe zwischen minus vier und plus zwölf Millimeter. Das Erdbeben der Stärke 9,5, das sich im Jahr 1960 in Chile ereignete, beulte die „Schwerekartoffel“ sogar um etwa drei Zentimeter aus.
Nadja Podbregar
Stand: 06.08.2010