Die Antibabypille ist heute eines der beliebtesten Verhütungsmittel. Trotzdem wird das Medikament zunehmend auch kritisch gesehen. Denn die Pille wirkt nicht nur verlässlich gegen Schwangerschaften. Sie beeinflusst auch die Psyche, beeinträchtigt das Wohlbefinden und kann im Extremfall krank machen.
Im Vergleich zu den Präparaten der ersten Generation kommen moderne Pillen zwar geradezu sanft daher. Doch obwohl eine ganze Monatspackung so viele Hormone enthält wie vor 50 Jahren noch eine einzige Tablette, wirkt sich das Mittel spürbar auf den Körper aus. So klagen viele Frauen etwa über Übelkeit, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und vermindertes sexuelles Lustempfinden.
Thromboserisiko steigt
Manche Nebenwirkungen der Pille können sogar lebensbedrohlich sein: Das Medikament steigert die Gerinnungsfaktoren im Blut und erhöht somit das Risiko für eine Thrombose. Normalerweise gerinnt das Blut nur außerhalb des Körpers, um bei Verletzungen entstehende Blutungen zum Stillstand zu bringen. Passiert das im Inneren des Körpers, bilden sich Blutklumpen, die Gefäße in Herz, Hirn oder Lunge verstopfen können und gefährliche Embolien verursachen.
Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit dafür zwar gering. Brisant aber ist: Ausgerechnet Präparate mit neueren Gestagenen wie Gestoden, Desogestrel oder Drospirenon gehen oft mit einem höheren Risiko einher als ihre Vorgänger. Immerhin neun bis zwölf von 10.000 Frauen bekommen Studienergebnissen zufolge innerhalb eines Jahres eine Thrombose. Bei Kombinationspillen mit einem niedrig dosierten Östrogen und Gestagenen wie Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat sind es fünf bis sieben – und bei Frauen, die keine Kontrazeptiva einnehmen, zwei.
Gefährliche Lifestyle-Produkte?
Kritiker bemängeln, dass viele Frauenärzte ihre Patientinnen über diese Unterschiede nicht aufklären. Hinzu kommt: Die Inhaltsstoffe der moderneren Präparate versprechen positive Effekte wie reinere Haut oder volleres Haar. „Die Pillen sind gezielt weiterentwickelt worden, um unangenehme Begleiterscheinungen zu vermindern und subjektive Schönheitseffekte zu verstärken“, schreibt die Techniker Krankenkasse in ihrem 2015 veröffentlichten Pillenreport.
„Damit war die Umdeutung eines Verhütungsmittels zum Lifestyle-Produkt gelungen“ sagt Maria Beckermann, Mitglied im Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft. „Dass diese neueren Pillen risikoreicher sind, wurde dagegen leider nicht in aller Öffentlichkeit dargestellt.“ Mittlerweile sind die Hersteller jedoch unter Beschuss. Der Bayer-Konzern etwa ist bereits von mehreren Frauen verklagt worden, die durch von ihm vertriebene Pillen geschädigt worden sein wollen. Betroffen sind Präparate der dritten und vierten Generation. Die Techniker Krankenkasse rät deshalb dazu, Pillen der früheren Generation zu verwenden.
Allerdings: Auch Faktoren wie erbliche Veranlagung, Übergewicht und Rauchen oder natürliche hormonelle Veränderungen beeinflussen das individuelle Risiko. So kommt es beispielsweise in der Schwangerschaft bei bis zu 29 von 10.000 Frauen zu einer Thrombose oder Embolie.
Macht die Pille depressiv?
Unter der Pille kann zudem das Risiko weiterer gefährlicher Nebenwirkungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall steigen. Auch das Risiko für Brustkrebs wird durch eine längere Einnahme leicht erhöht. Forscher spekulieren außerdem, ob die Pille im Zusammenhang mit dem Auftreten von Depressionen steht.
Eine Studie aus dem Jahr 2016 legt diesen Verdacht nahe. Dänische Gynäkologen hatten dafür die Daten von mehr als einer Million Mädchen und jungen Frauen ausgewertet. Das Ergebnis: Wer begonnen hatte, hormonell zu verhüten, bei dem wurde in den Folgejahren häufiger eine Depression diagnostiziert.
„Mögliche Nebenwirkung“
Das Phänomen trat vor allem in der ersten Zeit der Anwendung auf: Nach sechs Monaten wurden die Frauen am häufigsten erstmals wegen einer depressiven Erkrankung behandelt. Das Risiko war gegenüber Nicht-Anwenderinnen um 40 Prozent erhöht – bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren, die eine Kombipille einnahmen, sogar um 80 Prozent. Danach ging die Häufigkeit allmählich zurück.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Depressionen eine mögliche Nebenwirkung hormoneller Verhütungsmethoden sind – vor allem bei Teenagern“, so das Fazit der Mediziner um Charlotte Wessel Skovlund von der Universität Kopenhagen. Ob es sich bei dem beobachteten Zusammenhang jedoch wirklich um eine kausale Verbindung handelt, müssten weitere Untersuchungen zeigen.
Daniela Albat
Stand: 03.03.2017