Phänomene

Erst en masse und dann passé

Pazifische Fischbestände folgen 50-jährigem Klimazyklus

Fischschwarm © MBARI

Mal Sardinen – mal Sardellen. Ein Blick in die Geschichte der Ozeane zeigt eine immer wiederkehrende Periodik von alternierenden Fischbeständen auf beiden Seiten des Pazifiks. So florierte in den 1930er und 1940er Jahren die Sardinenfischerei vor der kalifornischen Küste, bevor der Fischbestand Mitte der 1950er in kürzester Zeit zusammenbrach.

Das Gleiche traf erstaunlicherweise zur selben Zeit am anderen Ende des Meeresbeckens auch auf die japanischen Sardinenbestände zu. Die kalifornische Fischindustrie, deren Untergang der spätere Nobelpreisträger John Steinbeck in seinem Buch „Die Straße der Ölsardinen“ beschrieb, stand vor einem Rätsel. War wirklich nur die gnadenlose Überfischung schuld?

Auffällig war, dass auf den Niedergang der Sardinen eine Blütezeit der Sardellenfischerei folgte. Rekordfänge von zwölfeinhalb Millionen Tonnen Sardellen (Anchovis) machten Peru Ende der 1960er zum Zentrum der Fischmehlproduktion und Hamburg zum größten Importhafen des als Tierkraftfutter vermarkteten Fischprodukts. Doch auch diese fetten Anchovis-Jahre fanden Mitte der 1970er mit dem plötzlichen Zusammenbruch der Sardellenpopulation in den südamerikanischen Küstengewässern ein jähes Ende. Doch welche Gründe gab es für diese Periodik?

Ein Erklärungsversuch

Der Meeresbiologe Francisco Charvez unterscheidet bei dem immer wieder auftretenden Phänomen zwischen einer Sardinen-Phase und einer Sardellen-Phase, die sich scheinbar regelmäßig ablösen. In einer in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie verglichen Charvez und sein Forscherteam vom kalifornischen Monterey Bay Aquarium Research Institute die zur Verfügung stehenden klimatischen Daten mit dem Auftreten der unterschiedlichen Fischbestände und Fangquoten von 1900 bis 2000.

Das verblüffende Ergebnis: Die Sardinen- und Sardellen- Phasen scheinen an großräumige Veränderungen der Wassertemperatur gebunden zu sein. Während der Sardinen-Phasen war das Oberflächenwasser des Pazifiks 25 Jahre lang überdurchschnittlich warm. Im Anschluss folgte dann für einen ähnlich langen Zeitraum eine Sardellen-Phase mit überdurchschnittlich kaltem Wasser. Handelt es sich dabei um eine eher zufällige Korrelation?

Der endgültige Beweis von Ursache und Wirkung fehlt noch, denn im vergangenen Jahrhundert konnten lediglich zwei dieser insgesamt 50 Jahre andauernden Klimazyklen beobachtet und deren physikalische Daten dokumentiert werden. Doch 2.000 Jahre alte Sedimentablagerungen von Fischschuppen vor der kalifornischen Küste weisen darauf hin, dass es sich um ein uraltes Phänomen handeln könnte. Ähnlich den Jahresringen von Bäumen verraten die versteinerten Schuppen der Sardinen, dass sich warme und kalte Perioden regelmäßig abwechselten.

Die Sardellen kommen

In Anlehnung an das berühmt-berüchtigte El Niño- und La Niña-Phänom erhielten die längerfristigen Klimaschwankungen auch bereits einen Namen: El Viejo und La Vieja. Steht der Pazifik unter dem Einfluss des „alten Mannes“ El Viejo, ist das Wasser warm und unzählige Sardinen tummeln sich im Meer. Die kalte Phase mit weniger Sardinen, dafür aber um so dichteren Sardellenschwärmen nannten die Forscher „La Vieja“, die alte Frau.

Verteilung von Sardinen und Sardellen © NOAA

Und in welcher dieser Fisch-Phasen befindet sich der Stille Ozean zur Zeit? Erste Anzeichen, wie der Rückgang des pazifischen Lachses und der Sardinen vor Kalifornien und im japanischen Meer, sowie das immer häufigere Auftreten von Sardellen als unerwünschter Beifang, weisen seit Ende der 1990er auf den Beginn einer La Vieja-Phase hin.

Noch ist nicht ganz geklärt, wie schnell der Übergang vom „alten Mann“ zur „alten Frau“ erfolgt. Genauso wenig wie die grundlegenden Ursachen, die zu einem solchen Ereignis führen und welchen Effekt die langfristige Klimaanomalie auf die weltweiten Witterungsbedingungen hat.

Im Bezug auf das unregelmäßige Vorkommen der Sardinen und Sardellen ist jedoch bereits sicher: die Überfischung der Ozeane ist am Zusammenbruch der Fischbestände im Pazifik nicht ganz unschuldig, sie ist aber auch nicht der einzig regulierende Faktor.

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Stand: 14.07.2003

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