Die Energie, die die Erde in Form von Wärme ständig abgibt, könnte – würde sie „eingefangen“ – alle Energieprobleme der Menschen auf einen Schlag lösen. Der durchschnittliche Wärmestrom beträgt 0,06 Watt Energie pro Quadratmeter Erdoberfläche. Dies entspricht mehr als dem Doppelten der gesamten Energie, die zurzeit durch die Verbrennung von Holz, Kohle, Öl und Gas produziert wird. Für die Gewinnung von Energie ist der Wärmestrom der Erde dennoch zu gering.
Anders sieht es dagegen bei der gespeicherten Erdwärme im Bereich geothermischer Anomalien aus. Dort wird sie schon seit Urzeiten vom Menschen für verschiedene Zwecke genutzt. Germanen, Gallier und Kelten badeten in heißen Quellen. Die Römer bauten die ersten richtigen Bäder, die Thermen.
Den Wärmefluss der Erde nutzten auch arktische Völker, wie die Bewohner von Kamtschatka in Ostsibirien, bei Bau ihrer Erdhäuser, um sich vor der Kälte zu schützen. In ihren unterirdischen Behausungen isolierte das Erdreich zum einen gegen die Kälte der Luft. Zugleich strömte von unten her Erdwärme nach, sodass ab etwa fünf Metern Tiefe ganzjährig um die 10°C herrschten.
Die erste industrielle Nutzung der Erdwärme gelang dem jungen Franzosen Francois Larderel. Dieser gründete zwischen 1818 und 1835 neun Borsäure-Fabriken. Borsäure wird als Desinfektionsmittel, zur Herstellung von Glasuren für Steingut- und Porzellanwaren und Blechgeschirre – „Emaille“ – sowie temperaturbeständigen und optischen Gläsern verwendet. Die Borsäure gewann er aus dem Wasser der „lagoni“. Dies sind aus der Erdtiefe gespeiste Teiche zwischen Volterra und Massa Marittima. Um das stark mineralhaltige Wasser zu verdampfen und Borsäurekristalle zu erhalten, heizte man die Eisenkessel zunächst mit Holz. Nachdem dieses jedoch immer teurer wurde, ließ Larderel 1827 über einigen „lagoni“ Kuppeln aufmauern, welche den ausströmenden Wasserdampf einfingen und als Prozesswärme an die Kessel leiteten.
1828 veranlasste Larderel die erste gezielte Bohrung nach Erddampf und hatte Erfolg. Daraufhin siedelte sich immer mehr chemische Industrie an. Larderel wurde 1837 der Titel eines Grafen von Montecerboli verliehen. 1846 verlieh man sogar einer von ihm errichteten Fabrik mit der zugehörigen Arbeitersiedlung den Namen Larderello. Ein Nachfahre Larderels, der Prinz Piero Ginori Conti nahm dort 1913 das erste Erdwärme-Kraftwerk der Welt in Betrieb. Die Leistung: 220 Kilowatt. Bis 1930 wurde das Kraftwerk mehrfach verbessert und lieferte schließlich Erdwärme von zwölf Megawatt. Larderello-Strom wurde nach Volterra, Siena, Livorno und Florenz übertragen.
Heute speist in dieser Gegend 245°C heißer, meist in etwa 1000 Meter Tiefe erbohrter Dampf mehrere Kraftwerksblöcke mit 390 Megawatt Gesamtleistung. Außerdem werden in Larderello Wohnungen, gewerbliche Räume und Treibhäuser mit Erddampf beheizt.
Stand: 23.09.1999