Im Prinzip haben alle Impfstoffe das gleiche Ziel: zu verhindern, dass eine Krankheit ausbricht. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen sie jedoch ganz unterschiedliche Strategien. Am besten wäre es natürlich, schon von vornherein jede Infektion mit einem Krankheitserreger zu verhindern, doch dies gelingt bisher kaum einem Impfstoff. In den allermeisten Fällen setzt der Imfpschutz erst ein, wenn die Erreger bereits in den Körper eingedrungen sind.
Auf unterschiedliche Weise mobilisiert dabei der Impfstoff schon frühzeitig die Immunabwehr des Körpers gegen den Erreger und verhindert so dessen Ausbreitung und Vermehrung. Die meisten klassischen Impfstoffe wirken nach diesem Prinzip: Sie bestehen entweder aus einer harmlosen Form des Erregers oder einigen Teilkomponenten, die schon vor der eigentlichen Infektion die Produktion von Antikörpern gegen den speziellen Erreger auslösen. Zusätzlich werden B- und T-Gedächtniszellen gebildet, die den „Feind“ bereits kennen, und bei einer Infektion daher nicht erst lernen müssen, mit wem sie es zu tun haben.
Im Falle des Aidserregers ist diese Strategie der klassischen Schutzimpfung allerdings problematisch: Alle bisherigen Versuche, geschwächte oder teilweise inaktivierte HI-Viren als Impfstoff zu nutzen, erwiesen sich als nicht sicher genug: 1992 sah es zunächst sehr hoffnungsvoll aus: Forschern des New England Primate Center in den USA war es gelungen Affen vor einer Infektion mit der Primatenvariante von Aids (SIV) zu schützen, indem sie ihnen ein durch die Zerstörung eines Gens geschwächtes Virus verabreichten. Schon hoffte man auf den lange ersehnten Durchbruch.
In Frankreich und Großbritannien begannen umgehend auch andere Wissenschaftlergruppen, mit dem geschwächten Virusstamm zu experimetieren und so viele Aidsgene wie möglich auszuschalten, ohne die Schutzwirkung zu schwächen. Neue Nahrung erhielt das Ganze auch durch Berichte aus Australien und den USA, nach denen Menschen, die bereits auf natürlichem Wege mit einem durch den Verlust dieses „nef-Gens“ geschwächten Virus infiziert worden waren, kaum Anzeichen einer Verschlechterung ihres Zustands zeigten.
Doch schon wenige Jahre später mussten die Forscher ihre Hoffnung auf einen Durchbruch aufgeben: Bei zahlreichen Tests hatte sich herausgestellt, dass auch das durch den Genverlust abgeschwächte Virus noch eine Immunschwäche auslösen konnte. Versuche, noch mehr Gene des HI-Virus auszuschalten, um diese Gefahr abzuwenden, schlugen fehl: Fehlten zu viele Gene, unterschied sich die geschwächte Form zu sehr vom „echten“ Virus, der Impfschutz war nicht mehr ausreichend.
Ähnlich erging es auch den Versuchen, durch Abtötung inaktivierte Viren als Impfstoffe einzusetzen. Das Risiko, unbeabsichtigt eine Infektion auszulösen, wird heute bei beiden Varianten der klassichen Methode als viel zu hoch angesehen, sie werden daher nicht mehr weiter verfolgt. Stattdessen sind die Forscher gezwungen, auf der Suche nach einem Schutz vor Aids neue Wege zu beschreiten…
Stand: 15.11.2000