Im Mai 2008 fällt die lang erwartete Entscheidung des britischen Parlaments – zugunsten der Chimärenforschung: Die Abgeordneten stimmen mit 336 zu 176 für die Neuauflage des Embryonenschutzgesetzes. Nach dieser ist das Implantieren menschlicher DNA in Kuh-Eizellen zwar erlaubt, es ist jedoch illegal, die resultierenden Embryonen über den 14. Tag hinaus am Leben zu erhalten. Auch ein Einpflanzen der Embryonen in eine menschliche oder tierische Leihmutter ist streng verboten.
Zellklumpen ohne Zukunftsaussichten
Stephen Minger, Leiter des Stammzellenlabors am King‘s College London und einer der beiden ursprünglichen Antragsteller, sieht sich durch diese Entscheidung bestätigt: „In keinem Fall schaffen wir hier etwas, über das sich die Leute Sorgen machen müssten.“ Sein Kollege John Burn, Professor an der Universität von Newcastle, erklärt gegenüber der BBC: „Das hier ist ein Prozess in einer Petrischale. Wir arbeiten mit einem Klumpen von Zellen, die sich niemals weiter entwickeln würden. Es ist ein reiner Laborprozess und diese Embryonen würden nie in irgendjemanden eingepflanzt werden.“
Tatsächlich zeigt sich schon bald in den Experimenten, dass die Cybrids weitaus kurzlebiger sind als gedacht. Von den mehr als 300 erzeugten Chimären-Embryonen kommen nur wenige über das nach rund drei Tagen erreichte 32-Zell-Stadium hinaus. Sie stellen ihre Entwicklung ein und sterben ab. „Die Embryonen sind selbst regulierend, weil sie natürlicherweise bei 32 Zellen stoppen – das ist sehr gut vom ethischen Standpunkt her“, erklärt Lyle Armstrong von der Universität Newcastle. „Es besteht keine Möglichkeit, dass sich diese Embryonen zu einem Fötus entwickeln können.“ Noch nicht.
Chimären in Deutschland – unmöglich?
In Deutschland stößt die britische Entscheidung für eine Zulassung der Chimärenforschung auf scharfe Kritik. Bildungsministerin Annette Schavan bezeichnet sie als „falsch und hochgradig ethisch fragwürdig.“ Ihrer Ansicht nach wurde hier eine Grenze überschritten. Ähnlich negativ ist auch das Echo der Bundesärztekammer. Ihr Vizepräsident Fran Montgomery erklärt gegenüber der Nachrichtenagentur AP: „Wir halten diese Entscheidung für einen schweren Fehler.“ Ein Sprecher des Bildungsministeriums verweist auf das sehr viel strengere deutsche Embryonenschutzgesetz: „Die Erzeugung von Chimären ist gegen das Gesetz, und das wird auch so bleiben.“ Aber ist das wirklich so? Eigentlich müsste in Deutschland die Erzeugung von Cybrids wie den Embryonen aus Kuh-Eizellen streng verboten sein.
Doch offenbar hat das Gesetz genau hier eine Lücke, wie der Medizinrechtler Jochen Taupitz im Sommer 2008 im Handelsblatt erklärt: „Alle Tatbestände in Paragraf 7 zur Chimärenbildung greifen nicht. Denn beide Komponenten sind keine Embryonen. Es wird auch keine menschliche oder tierische Eizelle befruchtet. Umstritten ist aber, ob das Ergebnis des Verfahrens ein menschlicher Embryo ist und damit das Klonverbot aus Paragraf 6 greift.“
Solange kein eindeutiges Verbot formuliert ist, könnte seiner Ansicht nach die so genannte Freiheitsvermutung des Grundgesetzes gelten: Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt…
Nadja Podbregar
Stand: 18.06.2010