Auch an Küsten ohne Gezeiten treten regelmäßig Sturmfluten auf. Hier spielt neben dem Windstau nach Stürmen, wie Hurrikanen oder Taifunen, in erster Linie die Küstenform eine wichtige Rolle. Vor allem golfartige Meere, trichterartige Flussmündungen oder lang gestreckte Seen, wo das vom Wind verdrängte Wasser nicht zur Seite oder nach unten ausweichen kann, sind anfällig für Sturmflutkatastrophen. Im flachen Wasser des Golfs von Bengalen beispielsweise staut sich das Wasser bei einem Sturm besonders hoch auf und überschwemmt leicht die niedrigen Küstengebiete.
Bis zu zweimal im Jahr wird die Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern von einer leichten Sturmflut heimgesucht. Schwere Sturmfluten dagegen kommen höchstens alle fünf Jahre vor. Sturmfluten zwischen Leningrad und Kiel und zwischen Gdansk und Kemi haben aber – anders als an der Nordsee – mit den Gezeiten und der Wirkung von Sonne und Mond nichts zu tun. In der Ostsee gibt es kaum keinen Wechsel zwischen Ebbe und Flut. Am Pegel Kiel misst man gerade mal einen Unterschied von 18 Zentimetern.
Faktor Wind
In erster Linie sind es deshalb Dauer, Intensität und der Richtung des Windes oder Sturmes, die an der Ostsee darüber entscheiden, ob es zu einer Sturmflut kommt oder nicht. Für die Küste Mecklenburg Vorpommerns sind starke und langandauernde Nordoststürme am gefährlichsten, da der Wind über eine Strecke von 750 Kilometern auf die Meeresoberfläche einwirken kann und so gewaltige Wassermassen auf die Küsten drücken kann.
Aber auch hier können noch eine Reihe von anderen Faktoren das Ausmaß der Sturmflut nach oben oder unten korrigieren. Tage- oder wochenlange Südwest- und Westwinde sorgen beispielsweise dafür, dass viel Nordseewasser über Skagerrak und Kattegat in die Ostsee einfließt und das Becken gut gefüllt ist. Dreht dann der Wind und pustet die Wassermassen auf die Küste zu, können die Pegel um bis zu 50 Zentimeter höher klettern als durch den Windstaueffekt allein.