Wer jedes Jahr seinen Urlaub auf derselben Nordseeinsel, beispielsweise Spiekeroog, verbringt, dem bietet sich trotzdem immer ein anderes Bild von der Naturlandschaft. Musste man im Vorjahr noch Ebbe und Flut auf seiner Wanderung zur Ostplate berücksichtigen, hat das Meer inzwischen soviel Sand angespült, dass weite Strecken selbst bei Hochwasser begehbar bleiben.
Doch ein paar Jahre später sieht die Situation schon wieder völlig anders aus. Konnte man früher ungestört durch den Sand waten, steht man jetzt plötzlich vor einer hügeligen bewachsenen Fläche. Verwundert betrachtet man die dünnen Hälmchen, die dem Sturm trotzen und sich kaum im Sandboden zu halten mögen. Wo kommt diese Vegetation denn auf einmal her, fragt man sich zwangsläufig.
Der Fänger im Sand
Kommt stärkerer Wind auf, wird der von Sonne und Meeresbrise getrocknete Sand weiter landeinwärts getrieben. Hinter dem Spülsaum sammelt er sich im Windschatten kleiner Barrieren, beispielsweise Muscheln oder Treibgut an. Mit der Zeit bildet er so den Anfang einer Düne. Diese wirkt wiederum als Hindernis für nachfolgend angewehten Sand.
Nach und nach erobern die ersten Pionierpflanzen das Areal. Zu den Meersenfgesellschaften des Spülsaums siedelt sich der Strandweizen, der ein effektiver Sandfänger ist und die Entstehung der Primärdünen fördert. Doch wie kann er in dem losen Boden überhaupt sprießen? Wie alle Pionierpflanzen ist auch der Strandweizen sehr anspruchslos und bezieht die wenigen Nährstoffe, die er zum Wachstum benötigt, von verrottetem Seegras, das mit den Sturmböen angespült wurde.
Die nächste Generation
Regnet es, sickert das Regenwasser durch die Sandschichten der Düne hindurch. Oft sammelt es sich dann am Übergang zum festen Untergrund und bildet eine so genannte Süßwasserlinse. Das ist das Lebenselixier des Strandhafers, der als weitere Pionierart die Düne besiedelt, sobald Niederschläge einen Teil des Salzes aus den Primärdünen herausgewaschen haben. Mit seinen langen Wurzeln und unterirdischen Sprossausläufern verfestigt er nicht nur den Sand, sondern produziert in den Rhizomen auch die notwendigen Nitrate, die er zum Wachstum benötigt.
Lästige Salzwasserspritzer von der Seeseite sind eher unwillkommen, bleiben jedoch nicht aus. Möglichst wenig Angriffsfläche bieten, heißt daher die Devise. Also rollt der Strandhafer seine Blätter meistens zu einer Röhre zusammen. Dadurch verkleinert er die Oberfläche und verringert gleichzeitig die Transpiration.
Immer wieder kommt es vor, dass Sandstürme den Strandhafer zuwehen. Doch das hindert ihn keineswegs daran, das Territorium zu erobern. Unbeeindruckt treibt er einfach neue Ausläufer nach oben und wächst dann ein Stockwerk höher ganz normal weiter. So kommt es, dass er nach und nach die Sekundärdünen mit einem äußerst stabilen Netzwerk seiner horizontal und vertikal verlaufenden Ausläufer durchzieht. Neu angewehter Sand wird schnell durch neues Wurzelwerk verfestigt. So entstehen gut zehn Meter hohe Dünen, denen Fluten nichts mehr anhaben können.
Stand: 26.07.2005