Langsam versinkt die Sonne am Horizont – die letzten Strahlen spiegeln sich im Meer und der Himmel erstrahlt in vielerlei Rot-Tönen. Wunderschön… aber denkt das auch jemand, der in der Wüste groß geworden ist?
Ein Bayer wird stets die Schönheit der Berge lieben, der Norddeutsche dagegen vermisst in dieser Gegend das weite Meer. In der Regel werden Formen und Farben, die für die eigene Umgebung charakteristisch sind, von den meisten als besonders reizvoll bewertet. Verständlicherweise empfinden daher die Inuit ihre für uns eher feindlich und unwirtlich wirkende Eislandschaft als schön.
Dennoch gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten. Zumindest für die Industrienationen in Europa, Amerika und Asien konnten anhand von Umfragen und Fotoserien mit Naturaufnahmen relativ gut übereinstimmende Präferenzen ermittelt werden, die vermutlich genetisch bedingt, also im Laufe der Evolution entstanden sind. Es gibt also Landschaften, die unabhängig von der jeweiligen Herkunft der Befragten als schön empfunden werden. Gerade die Werbung macht sich diesen Effekt zunutze, indem sie Autos, Zigaretten oder Alkohol in ansprechender Natur präsentiert.
Zunächst wird der Aufenthalt in der Natur ganz allgemein von der Mehrzahl der Befragten als angenehm empfunden. Vor allem frische Luft, Bewegung und Entspannung sind dabei die häufigsten Motive für einen Spaziergang oder ähnliches. Wichtig ist dabei vor allem der Aspekt der „unberührten Natur“. Natürlich gibt es solche Regionen kaum noch, eine Landschaft ohne sichtbare künstliche Elemente wie Gebäude oder Hochspannungsleitungen wirkt dagegen natürlich genug, um als schön eingestuft zu werden.
Mehr noch: Künstlich angelegte Parks werden oft gegenüber echten, wild wachsenden Landschaften bevorzugt. Die offene Savanne, in der unsere Vorfahren lebten, ähnelt eher einer solchen überschaubaren, künstlich geschaffenen Szenerie. Mögliche Nahrungsquellen oder sich nähernde Feinde werden hier schon früh erkannt.
In einer Umfrage zur Nutzung des Teutoburger Waldes gaben 74 Prozent der Befragten an, lieber querfeldein oder auf kleinen Pfaden zu gehen, als ausschließlich die angelegten Wanderwege zu nutzen. Dies spiegelt eine allgemeingültige Entdeckerfreude wieder. Eine Landschaft wird vor allem dann als schön empfunden, wenn sie möglichst abwechslungsreich ist. Auch hier meldet sich wieder der Geist unserer Vorfahren – nach evolutionären Gesichtspunkten haben wir schließlich die Savanne gerade erst verlassen. Eine strukturreiche Umgebung ermöglichte es den Urmenschen besonders gut, sich bei Gefahr zu verstecken oder neue, noch unentdeckte Nahrungsquellen aufzutun.
Ungeschlagen zur ästhetischen Aufwertung einer Landschaft ist daher auch jede Form von Wasser, ohne das kein menschliches Leben möglich wäre. Wasserfälle, Seen, Teiche, Bäche und das Meer werten eine Landschaft immer auf. Als besondere Favoriten gelten dabei ruhige Wasserflächen, in denen sich das bewachsene Ufer spiegelt.
Ein weiteres Highlight bildet die Aussicht. Eine beschwerliche Wanderung auf einen Berg wird durch den Blick von oben gerechtfertigt. Der evolutionäre Grund für diese Vorliebe ist vermutlich der Überlebensvorteil, der sich dem mit der Übersicht über das Gelände bietet. Eine sich nähernde Gefahr wird schneller erkannt und auch die Flucht bergab gestaltet sich weniger mühsam. Trotzdem wirkt die schönste Bergszenerie aus dem letzten Urlaub zuhause auf dem Erinnerungsfoto weniger prächtig. Der Grund liegt in der fehlenden dritten Dimension. Auch die räumliche Wahrnehmung stellt einen evolutionären Vorteil dar und wird als besonders schön empfunden. Landschaften, in denen die Räumlichkeit besonders betont wird, etwa ein See inmitten von hoch aufragenden Felsen, gelten als sehr reizvoll.
Stand: 01.07.2005