So vielfältig und variabel die chemischen Bindungen auch sind, zumindest die Zahl ihrer Partner schien bisher vorgegeben: Für eine „Paarung“ braucht man zwei Beteiligte. Dieses können Atome desselben Elements sein, Atome innerhalb eines Moleküls oder auch Atome zweier verschiedener Moleküle. Selbst komplexe Reaktionen mit vielen Ausgangs- und Zwischenprodukten bestehen im Endeffekt aus einer Abfolge vieler Einzelreaktionen mit jeweils zwei Partnern – so die gängige Lehrmeinung.
Eine Menage à Trois
Doch inzwischen haben Chemiker auch in diesem Punkt einige Ausnahmen entdeckt. Eine davon ist eine chemische Reaktion mit gleich drei aktiven Partnern. Dabei bilden zunächst zwei Partner, beispielsweise Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O2) einen kurzlebigen molekularen Komplex und reagieren dann mit einem dritten Partner, zum Beispiel einem weiteren Wasserstoffatom.
Das Spannende daran: Diese sogenannten termolekularen Reaktionen treten wahrscheinlich in so alltäglichen Prozessen wie der Verbrennung von Gasen in Motoren und Raketentriebwerken oder in Blitzen auf. „Unsere Entdeckung eröffnet uns daher eine ganz neue Welt der Möglichkeiten“, sagt Michael Burke von der Columbia University. „Das Wissen um diese neue Reaktionsklasse könnte zu neuen Motorentypen führen, aber auch zu einem neuen Verständnis der Prozesse, die für die Wolkenbildung, die Entwicklung von Luftschadstoffen oder den Klimawandel verantwortlich sind.“
Bindung ganz ohne Partner
Noch merkwürdiger aber ist ein Phänomen, das Chemiker erst vor kurzem theoretisch postuliert haben: die chemische Bindung eines Atoms mit dem Nichts – mit einer leeren Stelle im Raum. Bei dieser Geisterbindung verändern sich die Elektronenorbitale des Atoms genauso wie bei einer Bindung zu einem Partner. Doch statt eines Partneratoms löst eine präzise austarierte Abfolge von magnetischen und elektrischen Pulsen diese Veränderungen aus.
Voraussetzung für die Geisterbindung ist allerdings ein spezieller Zustand des „ausgetricksten“ Atoms – im Beispiel der Forscher eines Wasserstoff-Atoms. Dieses muss zunächst durch Energiezufuhr zu einem sogenannten Rydberg-Atom werden. Bei diesen ist das Elektron durch die Anregung auf eine extrem weit vom Kern entfernte Bahn angehoben. Weil sich dadurch der Einfluss des Atomkerns stark verringert, reagiert das Elektron stärker auf externe Felder – und lässt sich so einen nicht existenten Partner vorgaukeln.
Noch sind diese Geisterbindungen nicht experimentell nachgewiesen. Doch die Chemiker um Matthew Eiles von der Purdue University sind zuversichtlich, dass dies schon in naher Zukunft passieren wird. „Man könnte sich sogar noch exotischere ‚Geister‘-Zustände vorstellen, bei denen Dreierbindungen simuliert werden oder mehrere ‚Geister‘-Atome in einer Linie stehen“, spekulieren sie.
In jedem Falle demonstrieren diese und viele weitere Entdeckungen und Erkenntnisse der jüngsten Zeit, dass die chemische Bindung noch lange nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben hat. So fundamental und allgegenwärtig diese Paarung von Atomen auch ist – sie hält noch immer Überraschungen parat.
Nadja Podbregar
Stand: 12.10.2018