Jeder hat schon einmal den Spruch gehört, dass ein fauler Apfel den ganzen Korb ruinieren kann und weiss daher, dass man reifes Obst niemals zusammen mit unreifem in einem Raum lagern sollte. Doch warum ist das so? Auch hier kommt ein Hormon ins Spiel.
Reifende Früchte wie Äpfel, Birnen oder Kirschen setzen Ethylen frei. Ethylen unterscheidet sich von den anderen Pflanzenhormonen dadurch, dass es gasförmig ist. Daher ist es nicht nur als Botenstoff innerhalb eines Individuums aktiv, sondern kann auch Exemplare beeinflussen, die im selben Korb liegen. So löst Ethylen eine wahre Kettenreaktion aus, wenn es mit benachbarten Früchten in Kontakt kommt. Es regt dort nämlich ebenfalls die Produktion von Ethylen an und sorgt dafür, dass diese vorzeitig reifen.
Doch was geschieht überhaupt bei der Fruchtreife? Von einer reifen Tomate erwarten wir, dass sie rot gefärbt und weich ist. Die typische Farbe der Früchte entsteht durch einen Wechsel in der Pigmentzusammensetzung. Ethylen bewirkt nun zunächst den Abbau der grünen Farbstoffe, der Chlorophylle, und die Zunahme von anderen Pigmenten. Im Fall der Tomate sind dies Carotinoide. Enzyme, die für den Reifeprozess benötigt werden, nehmen in ihrer Aktivität zu und setzen Speicherstoffe zu Zuckern um. Die Früchte erhalten dadurch ihre Süße. Durch den Abbau von Pektinen verlieren die Früchte zudem ihr Gerüst und werden weich. Besonders hohe Ethylenwerte haben Forscher in den Trenngeweben gemessen, was schließlich zum Abfallen der Früchte von der Mutterpflanze führt.
Die Wirkung von Ethylen auf die Fruchtreife nutzten schon die alten Ägypter und Chinesen, natürlich ohne die genauen Vorgänge zu kennen. Die Aufklärung gelang Wissenschaftlern erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als sie Ethylen als dafür verantwortliches Pflanzenhormon nachwiesen.
Die durch Ethylen ausgelöste Fruchtreifung in Eigenregie kann beim Transport von Obst aus dem Ursprungsland zu den Verbrauchermärkten zum Problem werden, da die Früchte oft matschig ankommen würden. Bananen beispielsweise transportiert man deshalb in unreifer Form und lagert sie während der Reise kühl, da niedrige Temperaturen die Ethylen-Synthese hemmen. Auch eine Begasung mit Kohlendioxid verzögert die Ethylen-Bildung. Manche Obsthändler lagern die Früchte bei Unterdruck, um frisch gebildetes Ethylen zu entfernen. Am Zielort angekommen, werden die Früchte dann wiederum mit Ethylen begast, um eine schnelle, gleichzeitige Reifung auszulösen.
Leider wirkt sich diese Behandlung nachteilig auf den Geschmack aus, denn Aromastoffe können sich nicht in derselben Weise entfalten, wie es unter natürlichen Bedingungen bei sonnengereiften Tomaten der Fall ist. Biotechnologen haben versucht, dieses Problem zu lösen und 1994 die erste, zum Verzehr freigegebene, gentechnisch veränderte Tomate auf den Markt gebracht. Bei ihr wurde das Gen ausgeschaltet, das zum Abbau des stabilisierenden Pektins benötigt wird. Die Tomate konnte dadurch länger unter Sonneneinstrahlung reifen ohne vorzeitig matschig zu werden. Da der Verkauf von gentechnischen Erzeugnissen jedoch nach wie vor bei der Bevölkerung eher auf Zurückhaltung stößt, ist diese Tomate, anders als in den USA, in den EU-Ländern nie in den Regalen der Lebensmittelmärkte erschienen.
Ethylen bewirkt Zelltod und Verwelken
Doch Ethylen lässt nicht nur Früchte reifen. Wenn eine Blume welkt, fallen die Blütenblätter ab. Dies ist ein natürlicher Alterungsprozess, an dem Ethylen ebenfalls beteiligt ist. Die Blütenbildung selbst wird durch Ethylen meist gehemmt. Eine Ausnahme bilden hier die Ananas und andere Zitrusfrüchte, bei denen Ethylen die Blütenbildung sogar fördert.
Unterirdische Pflanzenteile sind in der Regel sehr atmungsaktiv. Doch, wenn sich Staunässe in feuchten Böden bildet, kommt es oft zu einem Sauerstoffmangel im Wurzelbereich. Die Pflanze reagiert darauf mit der Bildung von Hohlräumen im Gewebe, die den Gasaustausch erleichtern. Bestimmte Wurzelzellen werden geopfert und in ihre Bestandteile zerlegt. Auslöser dieses programmierten Zelltods ist ebenfalls Ethylen.
Stand: 22.03.2005