Zu den entscheidenden Anstößen für Darwins Theorie gehörte die Beobachtung, dass Individuen einer Art in verschiedenen Regionen ihres Verbreitungsgebietes unterschiedlich sein können. Heute können wir aufgrund der geografischen Verteilung von genetischer Variabilität die Geschichte einer Art mit erstaunlicher Präzision rekonstruieren. Das Team der Goethe-Universität Frankfurt ist führend, wenn es um das Problem geht, mit dieser Methode herauszufinden, wie Arten auf Klimaveränderungen reagieren. Auch die Vorhersage künftiger Entwicklungen ist möglich.
Arten sind aber nicht nur geografisch, sondern auch zeitlich veränderlich. So können manche im Süßwasserplankton lebende Kleinkrebse Dauereier produzieren, die auf den Boden von Seen herabsinken, um ungünstige Zeiten zu überdauern. Die Forscher nutzen diese biologischen Archive, indem sie Dauereier von Wasserflöhen aus verschiedenen Zeitpunkten des letzten Jahrhunderts „wiedererwecken“ und sie mit deren heute vorkommen den Nachkommen genetisch und biologisch vergleichen. Durch solche Arbeiten haben die Wissenschaftler dokumentiert, wie sich durch den Einfluss des Menschen – etwa durch Phasen der Überdüngung von Gewässern im 20. Jahrhundert – die Zusammensetzung der Arten verändert hat und wie sich die Genome der Organismen evoluiert haben.
Laufende Projekte in Kooperation mit dem neu gegründeten Frankfurter Forschungszentrum „Biodiversity and Climate“ werden sich natürliche und museale Archive zu Nutze machen, um die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die Tier- und Pflanzenwelt zu erforschen.
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Wo stehen wir heute?
Wie zu Zeiten von Charles Darwin steht auch für die heutige Evolutionsbiologie das Verständnis der evolutionären Veränderung von Arten im Zentrum des Interesses. Da sich unsere Umwelt durch die Invasion „fremder“ Arten – Neobiota – und den globalen Klimawandel rapide verändert, sind Erkenntnisse über die Entstehung und Verbreitung von Biodiversität von akuter Bedeutung.
Dabei sind kryptische Arten und Hybridarten, obwohl lange Zeit lediglich als „taxonomische Probleme“ und Sonderfälle betrachtet, für die Forschung von besonderer Bedeutung, denn diese „Seiteneffekte“ der Evolution ermöglichen es, den Regelfall zu verstehen.
Diese Problemfälle sind somit weder das Ergebnis unserer unvollkommenen Wahrnehmung noch ein biologisches Randphänomen, sondern ein Beweis für die stetige evolutionäre Veränderung unserer Umwelt.
Bruno Streit, Markus Pfenninger und Klaus Schwenk / Forschung Frankfurt
Stand: 27.03.2009