Etwa 330 Millionen Götter verehren die Hindus und es kommen ständig neue hinzu. Nicht nur deshalb ist diese Religion schwer zu erfassen. Der Hinduismus hat keine geschlossene dogmatische Lehre und es gibt keinen Religionsstifter. Zudem findet eine ständige Erneuerung und Bewegung statt. So fügen spirituelle Lehrer, inspiriert durch die hinduistischen Schriften, der Lehre neues Gedankengut zu und unter dem Einfluß anderer Religionen wie Buddhismus oder Islam werden weitere Denkanstöße integriert.
Wichtigstes Element der hinduistischen Religion ist der Glaube an die Reinkarnation. Demnach hat jedes Lebewesen eine unsterbliche Seele, die darauf drängt, nach dem Tod wiedergeboren zu werden. Je besser die Taten zu Lebzeiten und je religiöser das Leben, desto reiner die Gestalt, in der man wieder auf der Erde erscheint. Ziel jedes Hindus ist es, diesem ewigen Kreislauf zu entkommen. Dazu muss er jedoch immer wiederkehren und sich mit jedem neuen Dasein in eine reinere Form verwandeln bis die Seele Teil des Höchsten ist und aus dem Zyklus erlöst wird. Der Mythologie nach wird die Erlösung auch vollzogen, wenn der Hindu in der heiligen Stadt Varanasi stirbt, seine Leiche dort verbrannt und dem Ganges übergeben wird.
Über 80 Prozent aller Inder sind Anhänger des Hinduismus. So beeinflusst die Religion das Leben des Landes entscheidend, denn der Hinduismus bestimmt von Geburt bis zum Tod und darüber hinaus den Alltag. Überall auf der Straße und in den Häusern hängen bunte Bilder der verschiedenen Gottheiten. Die Kühe, verehrt als heilige Tiere, gehören zum Straßenbild jeder Großstadt und mit dem Dharma sind die moralischen und gesellschaftlichen Werte vorgegeben.
Zum Dharma gehört auch das Kastensystem. Jeder Mensch wird dabei in eine bestimmte Kaste hineingeboren. Die Zugehörigkeit bleibt auf Lebzeiten erhalten, ist vererbbar und bestimmt den gesellschaftlichen und ökonomischen Status. Zu unterscheiden sind die drei oberen Kasten, die Arbeiterkaste und schließlich die Unberührbaren, die eigentlich kastenlos sind und somit über keine Rechte verfügen. Für die sonst so große Flexibilität des Hinduismus erscheint das System ungewöhnlich starr. Hinduistische Lehrer verweisen darauf, dass die ursprüngliche Kasteneinteilung Anerkennung eines bestimmten spirituellen Entwicklungsstandes war. Erst mit dem Einzug der weltlichen Güter wurden die wirtschaftlichen Werte zum entscheidenden Faktor.
Das Kastensystem hat immer wieder die Kritik auf die Religion und Indien gelenkt. Vielfach haben sich Anhänger auch vom Hinduismus abgewendet und neue religiöse Gruppen gegründet. Mit der Unabhängigkeit Indiens wurde das Kastensystem verboten. Jedoch wird durch die lange etablierte Tradition das Verbot in der indischen Gesellschaft, vor allem in den ländlichen Regionen, weitestgehend ignoriert und die Unberührbaren werden nach wie vor benachteiligt.
Stand: 30.06.2001