Das Horizont- und das Flachheits-Problem zeigen, dass uns offenbar eine wichtige Zutat im Szenario des Ur-Anfangs fehlt. Was diese Zutat sein könnte, darauf kamen vor rund 40 Jahren unabhängig voneinander der sowjetische Physiker Alexei Starobinsky und der US-Physiker Alan Guth. Die Details der beiden Modelle waren unterschiedlich, in der Essenz aber beschrieben beide das gleiche Grundphänomen: die kosmische Inflation.
Demnach muss es direkt nach dem Urknall eine Phase gegeben haben, in der sich das Universum nicht linear ausdehnte, sondern exponentiell. Der ganze Spuk dauerte wahrscheinlich nur rund 10 hoch -35 Sekunden – das ist noch kürzer als ein Milliardstel einer Quadrillionstel Sekunde. Innerhalb dieser Zeit blähte sich der Kosmos bis auf gewaltige Dimensionen auf. Die Größe des Universums nahm um einen Faktor von 10 hoch 30 bis 10 hoch 100 zu – ja nachdem, welcher Theorie man hier folgen möchte.
Schneller als das Licht
Allerdings: Um in so kurzer Zeit so gewaltig wachsen zu können, muss sich das Universum während der Inflation viel schneller ausgedehnt haben als das Licht. Spätestens seit Einstein wissen wir jedoch, dass sich im Kosmos nichts schneller bewegen kann als das Licht. Wie ist eine so schnelle Ausdehnung trotzdem möglich?
Die Antwort versteckt sich in der genauen Formulierung von Einsteins Relativitätstheorie. Nach dieser gilt die Beschränkung für die Lichtgeschwindigkeit nur innerhalb der Raumzeit, der Grundmatrix unseres Kosmos. Bei der Inflation aber dehnte sich das Universum aus und damit die Raumzeit selbst. Und für diese Art der Bewegung gilt die Einstein’sche Beschränkung nicht. Das Universum dehnte sich in der Inflation mit Überlichtgeschwindigkeit aus – und die in ihm vorhandene Materie und Strahlung wurden innerhalb dieser Blase einfach passiv mitgerissen.
Aufgeblähte Quantenfluktuationen
Diese extreme Expansion bedeutet, dass sich eine zufällige Quantenfluktuation – 100 Trillionen mal kleiner als ein Proton – in diesen Sekundenbruchteilen bis auf eine Kugel von zehn Zentimetern Größe aufgebläht hätte. Nachdem die Inflation vorbei war, ging die Ausdehnung des Universums wieder auf ein lineares Maß zurück. Die nun ins makroskopische vergrößerten Fluktuationen jedoch hinterließen eine bleibende Wirkung: Sie beeinflussten die Verteilung von Energie und Materie im jungen Kosmos.
„Genau diese Unregelmäßigkeiten in der Verteilung können wir heute in der kosmischen Hintergrundstrahlung beobachten“, erklärt der britische Physiker John Gribbin. Die feine „Körnung“ im Mikrowellen-Hintergrund entspricht in vieler Hinsicht genau dem, was man von gewaltig vergrößerten Quantenfluktuationen erwarten würde. „Bisher waren die Messungen des Spektrums dieser Strahlung daher wunderbar konsistent mit den Vorhersagen der Inflation“, so Gribbin.
Und auch die Verteilung der Materie im heutigen Kosmos ließe sich so erklären. Denn nach gängiger Theorie ist diese ein Abbild der Fluktuationen im Urplasma. Nachdem sich die ersten Atome bildeten und die Elemente entstanden, bestimmten sie, wo sich Materie zu den ersten Sternen, Galaxien und Galaxienclustern zusammenballte.
Nadja Podbregar
Stand: 22.05.2015