Besonders deutlich wird die Vielseitigkeit der Proteine, wenn man sich den Einfallsreichtum der Evolution anschaut: Einige Entwicklungen der Natur erscheinen wahrhaft exotisch. Das beginnt bereits bei den verwendeten Ausgangsmaterialien. Aminosäuren verhalten sich wie rechte und linke Hand – sie können in zwei Formen existieren, die einander wie Spiegelbilder gleichen, sich räumlich aber nicht decken.
Aus bislang ungeklärten Gründen hat sich bei der Entstehung des Lebens die „linke Hand“-Form durchgesetzt, die L-Aminosäuren. In allen Lebewesen kommt fast ausschließlich diese Form vor. Dem gegenüber stehen die D-Aminosäuren. Diese sind in lebenden Organismen zwar sehr selten, aber bei weitem nicht unbekannt: Neueren Erkenntnissen zufolge dient beispielsweise das D-Serin als Botenstoff im menschlichen Gehirn.
Spiegel-Aminosäuren passen nicht ins Bild
Besonders einige Mikroorganismen haben Tricks entwickelt, mit denen sie die Spiegel-Aminosäuren verwenden können. Doch zu welchem Zweck? Ein Grund ist Schutz: In die Bindungsstellen „normaler“ Enzyme passen diese Spiegelbilder meistens nicht. Feinde oder Konkurrenten haben es deshalb schwerer, sich an diese exotischen Bestandteile anzupassen. Die Zellwand von Bakterien enthält die D-Form der Glutaminsäure, und wird dadurch schwerer durch Verdauungsenzyme angreifbar.
Das gleiche Prinzip funktioniert auch bei einigen Antibiotika: Vancomycin galt lange als Notfall-Antibiotikum gegen hochresistente Bakterien. Es besteht aus sieben Aminosäuren, von denen gleich vier in der D-Form vorliegen. Das erschwert es den Erregern, dagegen Abwehr-Mechanismen zu entwickeln. Zwar sind inzwischen doch bereits einige Resistenzen gegen das Mittel bei mehreren Krankheitserregern aufgetreten, dennoch dienen D-Aminosäuren auch heute noch als wichtiger Bestandteil neuer synthetischer Antibiotika.