Anders als rund um den Pazifik verhält es sich beiderseits des Südatlantiks. „Hier sprechen wir von passiven Kontinentalrändern“, erklärt Hans-Peter Bunge. Hier gehen die Kontinente Südamerika im Westen und Südafrika im Osten nahtlos in den Ozean über. Das macht den Südatlantik so interessant für ihn. Hier taucht keine Platte ab und verschwindet mitsamt der Sedimentfracht, die sich auf ihr abgelagert hat, im Erdinnern, so wie an den aktiven Kontinentalrändern.
„Hier haben wir also alle Gesteinsschichten aus den letzten 160 Millionen Jahren ungestört vor uns – ein Langzeitarchiv der Erdgeschichte, in dem alle Vorgänge gespeichert sind, die sich seit der Öffnung des Südatlantiks abgespielt haben.“ Eine wichtige Voraussetzung, um die gesamte Entstehungsgeschichte dieses Ozeans und die Prozesse, die sich in dieser Zeit auf den angrenzenden Landmassen abspielten, rekonstruieren zu können.
Bunge hofft, Antworten auf alle möglichen geologischen Fragen zu finden. Einige davon betreffen die Plattentektonik. „Wir kennen zwar die Kinematik“, sagt der Wissenschaftler, „das heißt, wir wissen, dass Kontinente auseinanderbrechen können und dass einzelne Platten mit einer Geschwindigkeit von wenigen Zentimetern pro Jahr über den Globus driften.“ Dann legt er beide Hände auf die Reliefkarte seiner großen Weltkugel – die rechte auf Südafrika und die linke auf Südamerika. „Aber wir wissen nicht genau, warum zum Beispiel heute die Landmasse Südafrikas im Osten des Südatlantiks um 1.000 Meter höher liegt als die südamerikanische im Westen, wo doch beide vor 200 Millionen Jahren zusammenhingen und daher auf gleicher Höhe lagen.“
Rätselhafter Höhenunterschied
Vor etwa 200 Millionen Jahren waren alle heutigen Kontinente noch in dem urzeitlichen Superkontinent Pangäa vereinigt. Als dieser allmählich auseinanderbrach, trennten sich auch die beiden Landmassen, die heute Südamerika und Afrika bilden, wobei sich, eben vor 160 Millionen Jahren, der Südatlantik zu öffnen begann. Material quoll aus dem Erdinnern empor und drückte die beiden Landmassen auseinander, bis sie ihre heutige Lage erreichten. Identische Gesteinsschichten und Fossilien auf der südamerikanischen und südafrikanischen Seite des Ozeans sind der Beweis dafür – nur, dass diese identischen Gesteinsschichten in Südafrika eben heute um etwa 1.000 Meter höher liegen als in Südamerika. Dies zeichnet sich auf der Reliefkarte der Weltkugel auch deutlich ab.
Fast ganz Südafrika ist nach der traditionellen Kartografie wie ein Gebirge braun gefärbt und hebt sich als Hochplateau über seine Umgebung hinaus, während sich auf der südamerikanischen Seite eine Tiefebene ausbreitet, die kartengemäß grün gefärbt ist. Es ist das Becken des Flusses Paraná. Diese Ebene fällt in den Atlantik hinein sogar noch weiter ab – über ein flaches Schelfmeer bis hinunter in das gut 6.000 Meter unter dem Meeresspiegel liegende Argentinische Tiefseebecken.
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Strömungen im glutflüssigen Gestein
„Die Ursache für diese enorme Höhendifferenz ist in den Konvektionsströmen viele Kilometer unter der Erdoberfläche, im Erdmantel, zu suchen“, sagt Bunge. An seinen Computermodellen lässt sich bereits zum jetzigen Stand der Arbeiten gut erkennen, dass heißes aufsteigendes Gesteinsmaterial von unten gegen Südafrika drückt und die Landmasse nach oben stemmt.
Unter Südamerika dagegen bewegen sich blau gefärbte, also kühlere Gesteinsmassen im Erdinnern abwärts auf den Erdmittelpunkt zu. Das liegt nach Meinung des Münchner Wissenschaftlers wiederum an der Pazifischen Platte, die sich an der Westküste des Kontinents unter Südamerika hineinschiebt und immer tiefer ins Innere der Erde abtaucht. Im Sog dieser Bewegung wird ganz Südamerika nach unten gezogen.
Angelika Jung-Hüttl / „Einsichten – Das Forschungsmagazin“ der Ludwig-Maximilians-Universität München
Stand: 30.03.2012