Bei der MOSAiC-Expedition ist die Natur der Steuermann. Denn allein sie bestimmt, wohin das im Eis eingeschlossene Schiff driftet. Dabei lässt sich die Route allerdings zumindest grob im Vorhinein abschätzen. Denn Triebkraft der Bewegung ist die Transpolardrift, eine Strömung, die von der Küste Sibiriens über die zentrale Arktis bis nach Grönland führt. Mit rund zwei bis drei Kilometern pro Tag zieht diese Strömung die Polarstern und die Driftstationen auf dem Eis mit sich.
Drift durch die „Terra incognita“
Durch die Drift erreicht die Expedition ein Gebiet in der Mitte des Nordpolarmeeres, das selbst in der Polarforschung eine „Terra incognita“ ist. „Wenn wir an die Arktis denken, stellen wir uns oft das Nordkap oder Spitzbergen vor. Das sind Regionen, die wir ohne Probleme ganzjährig erreichen“, erklärt Expeditionsleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut. „Auf der MOSAiC-Expedition dagegen kommen wir in Gebiete, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegen, weil sie so gut wie niemand im Winter erreicht hat.“
Dieser Bereich der zentralen Arktis ist für Eisbrecher und Flugzeuge kaum zugänglich. Denn vor allem in der Polarnacht ist das Eis für die Schiffe zu dick und für viele Forschungsflugzeuge zu weit vom nächsten Land entfernt. Die MOSAiC-Expedition ist damit ein polarer Pionier. “ Der Weg über die Drift ist die einzige Möglichkeit, die Zentralarktis im Winter zu erreichen“, sagt Rex. „Wir werden uns die ganze Zeit nördlich des 80. Breitengrades aufhalten. Einen Großteil der Zeit befinden wir uns sogar im direkten Polbereich nördlich des 87. Breitengrades. Das ist sogar schon so weit im Norden, dass wir kaum noch Polarlichter sehen werden.“
Die Versorgung der Expedition
Für die Logistik der Expedition ist diese winterliche Drift eine echte Herausforderung. Denn die Driftstation muss auch während der Polarnacht mit Vorräten und Treibstoff versorgt werden. Zudem sind fünf Wechsel der Expeditionsmitglieder geplant. Die ersten beiden Nachschub-Lieferungen sollen im Dezember 2019 und wenn möglich im Februar 2020 stattfinden – zu einer Zeit, in der das Meereis hoffentlich noch dünn genug ist, um von Eisbrechern durchbrochen zu werden.
Dann allerdings folgt eine Zeit, in der die Wissenschaftler per Schiff nicht mehr erreichbar sein werden. Die einzige Chance auf eine Verbindung zur Außenwelt besteht dann noch aus der Luft – mithilfe eines russischen Antonov-Transportflugzeugs. Das Frachtflugzeug wird Mitte April 2020 die dritte Nachschub-Lieferung übernehmen und soll auch im Februar einspringen, falls der russische Versorgungseisbrecher nicht mehr durchkommt.
Landebahn auf der Eisscholle
Damit die Antonov landen kann, müssen die Expeditionsteilnehmer kurz nach ihrer Ankunft eine rund 1.800 Meter lange Landebahn auf ihrer Eisscholle freiräumen. „Neben den Containern für die Messinstrumente nehmen wir auch Pistenbullys und neuartige, extra gebaute Eisfräsen mit, um damit die Landebahn auf dem Eis zu bauen“, berichtet Rex. Zudem bringen die Eisbrecher bei jeder Versorgungsfahrt Flugzeug-Treibstoff mit. Diesen benötigt das Transportflugzeug, um den Rückweg zu schaffen – sonst müsste es auf der Driftscholle bleiben.
Was aber, wenn Wetter und Eisbedingungen eine Landung der Antonov nicht zulassen? „Ein unverzichtbares Element ist es, mehr als einen Plan b zu haben“, heißt es dazu auf der Expeditions-Website. Sollte ein Notfall eintreten oder das Flugzeug ausfallen, könnte die Driftstation von speziellen Langstrecken-Hubschraubern angeflogen werden. Dafür wurden schon im Vorhinein Treibstoffdepots auf möglichst weit nördlich liegenden sibirischen Inseln angelegt.
Driftende im September 2020
Erst frühestens im Juni 2020 wird das erste Schiff – ein schwedischer Eisbrecher – wieder zur Polarstern durchdringen können. Denn erst dann ist das arktische Meereis durch den Polarsommer schon wieder ausgedünnt und kann hoffentlich durchbrochen werden. Die fünfte und letzte Versorgungs-Fahrt ist für Mitte August geplant. Ein chinesischer Eisbrecher wird ein letztes Mal Vorräte und eine neue Crew ins Eis bringen.
Mitte September 2020 endet dann die MOSAiC-Expedition: Die Polarstern und ihre Crew erreichen die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen. Dort sollte das Meereis um die Driftscholle soweit abgetaut sein, dass der Forschungseisbrecher aus eigener Kraft die Rückfahrt in gemäßigte Breiten antreten kann.