Phänomene

Fettschwanzmakis „verschwinden von der Bildfläche“

Kathrin H. Dausmann von der Universität Hamburg im Interview

Kathrin H. Dausmann ist Juniorprofessorin an der Universität Hamburg, Abteilung Ökologie und Naturschutz. Sie beschäftigt sich vor allem mit den Themen Energiehaushalt und Winterschlaf. Im Rahmen ihrer Promotion an der Universität Marburg hat sie sich intensiv mit dem Fettschwanzmaki Cheirogaleus medius befasst und bei ausgedehnten Forschungsaufenthalten auf Madagaskar im Kirindy Wald das Winterschlafverhalten des Primaten untersucht.

scinexx.de: Frau Dausmann, Sie haben vor vier Jahren im tropischen Madagaskar erstmals einen Primaten entdeckt, der Winterschlaf hält. Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Fund?

Kathrin H. Dausmann: Es war schon länger bekannt, dass diese Primaten, die madagassischen Fettschwanzmakis, während der kühlen Trockenzeit Westmadagaskars „von der Bildfläche verschwinden“, das heißt, dass sie nicht mehr im Wald aufzufinden sind. Außerdem war den Einheimischen bekannt, dass diese Tiere kurz vor der Trockenzeit besonders schmackhaft, da besonders fettreich sind. Diese Beobachtungen haben zu der Vermutung geführt, dass die Fettschwanzmakis diese ungünstige kühle und nahrungsarme Jahreszeit überdauern, indem sie von ihren körpereigenen Fettvorräten zehren. In welcher Weise das genau geschieht, also ob sie sich nur in eine Baumhöhle zurück ziehen, oder ob sie echten Winterschlaf halten, war vorher nicht bekannt.

scinexx.de: Gibt es mittlerweile neue Forschungsergebnisse zum Fettschwanzmaki?

Dausmann: Die Fettschwanzmakis geben ein hervorragendes Modelsystem für Winterschlafforschung ab. Bei den Winterschläfern der temperaten und arktischen Gebiete, wie Siebenschläfer oder Murmeltiere, ist es immer sehr schwierig zu unterscheiden, ob gefundene Effekte rein auf den niedrigen Körpertemperaturen während des Winterschlafes basieren, oder ob es echte Effekte der Winterschlafsituation sind. Die Fettschwanzmakis halten hingegen bei verhältnismäßig hohen Körpertemperaturen Winterschlaf und genau dieses „natürliche Experiment“ ist es, das uns momentan interessiert.

scinexx.de: Ist Cheirogaleus medius in den Tropen eine Ausnahme oder gibt es noch mehr Tiere, die Winterschlaf zeigen?

Dausmann: Es gibt Hinweise darauf, dass auch die etwas kleineren (etwa 60 Gramm schweren) Mausmakis auf Madagaskar Winterschlaf halten. Diese sind allerdings auch nah verwandt mit den Fettschwanzmakis, sie gehören ebenfalls zur Familie der Cheirogaleiden. Außerdem zeigen neueste Ergebnisse, dass auch die madagassischen Igeltanreks tropischen Winterschlaf halten. Außerhalb von Madagaskar hat man ansonsten in den Tropen bisher nur Fälle von Tagestorpor gefunden, das ist eine Art kurzer Winterschlaf, der in der Regel während der gewöhnlichen Schlafphase der Tiere stattfindet und nur wenige Stunden dauert.

scinexx.de: Steht demnächst wieder eine Expedition nach Madagaskar auf dem Programm? Wenn ja, worum geht es dieses Mal?

Dausmann: Die nächste Gruppe Wissenschaftler aus unserer Abteilung wird Mitte Januar Hamburg in Richtung Madagaskar verlassen. Sie werden im Süden Madagaskars untersuchen, wie flexibel die dort lebenden Mausmakis auf die vorherrschenden Bedingungen in einem extrem unvorhersagbaren System reagieren können, das heißt inwieweit sie zwischen Winterschlaf, Tagestorpor und „normaler“ Körpertemperatur individuell variieren können. Leider kann ich diesmal nicht dabei sein, da ich während des Semesters nicht so lange unterwegs sein kann.

scinexx.de: Der Fettschwanzmaki ist vermutlich nicht ihr einziges Forschungsobjekt. Womit beschäftigen Sie sich sonst noch?

Dausmann: Insgesamt interessieren mich Fragen zum Energiehaushalt und wie es Tierarten schaffen, ungünstige Jahreszeiten zu überstehen. In diesem Zusammenhang arbeiten wir auch mit dem einheimischen Eichhörnchen, das übrigens keinen echten Winterschlaf hält, gehen der Frage nach, inwieweit Fledermäuse durch ihr Verhalten ihren Energieverbrauch regeln können, und versuchen die physiologischen Grundlagen des tropischen Winterschlafs beim madagassischen Igeltanrek aufzuklären.

scinexx.de: Frau Dausmann, wir bedanken uns für das Interview.

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Stand: 28.11.2008

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