Eine 2005 fertig gestellte Untersuchung des National Institute of Standards and Technology (NIST) unter Leitung von S. Shyam Sunder dokumentierte detailliert, was in den Geschossen unmittelbar über und unter den eingeschlagenen Flugzeugen und dem Feuer geschah. Die Studie vereint die Ergebnisse von Trümmeranalysen, Bildauswertungen, ausführlichen Befragungen von mehr als 1.200 Zeugen des Kollapses und Erkenntnisse zur Statik und Konstruktionsweise der Türme mit komplexen Computersimulationen der Ereignisse am 11.09.2001. Die Wissenschaftler konzentrierten sich dabei vor allem auf die erste Phase des Einsturzprozesses.
Tatsächlich gelang es ihnen, eine Reihe von Ereignissen zu identifizieren, die zusammen den Kollaps ausgelöst haben könnten. Demnach spielte die Abschürfung der Feuerschutzschicht durch herumfliegende Objekte unmittelbar beim und nach dem Einschlag auf jeden Fall eine wichtige Rolle. Gleichzeitig zerstörte oder verbog der Einschlag zahlreiche Tragsäulen der Konstruktion und führte so zu einer Umverteilung der Last. Das ausbrechende Feuer veränderte die Struktur und Härte der Stahlelemente. Säulen und Befestigungen dehnten sich aus, wurden aber gleichzeitig instabiler und begannen, sich zu verbiegen. Das Außenskelett der Türme gab über mehrere Stockwerke hinweg nach, teilweise durch die Hitzeeinwirkung, teilweise wegen der zusätzlichen Belastung durch die absackenden Geschossböden.
Stahlsäulen „weichgekocht“
Als entscheidenden Faktor identifizierten die NIST-Forscher die Abschürfung der Isolierschicht. Ohne sie, so ihr Fazit, wären die tragenden Säulen der Konstruktion vermutlich nicht eingeknickt und der Kollaps wäre so nicht passiert. Die Analyse von Säulenbruchstücken, die nach dem Einsturz eingesammelt worden waren, ergab eindeutig, dass ihr Stahl auf Temperaturen von mindestens 600°C erhitzt worden sein muss. Seine Tragfähigkeit war dadurch gegenüber dem Normalzustand um 85 Prozent reduziert – und damit so gut wie nicht mehr vorhanden. Nach Ansicht der Wissenschaftler war es das Nachgeben der solcherart „weichgekochten“ Stahlsäulen des Turm-Skeletts, die letztlich den Kollaps auslösten.
„Pancake-Theorie“ entkräftet
Sowohl die Ergebnisse des NIST, als auch die einer im Mai 2007 von Ingenieuren der amerikanischen Northwestern Universität veröffentlichten Studie entkräfteten gleich mehrere alternative Einsturz-Hypothesen, darunter auch die von Charles Clifton.
In der 2007er Studie gehen die Ingenieure unter Leitung von Zdenek Bazant besonders auf die so genannte „Pancake“-Theorie ein. Sie wurde in der Anfangszeit nach dem Einsturz von der Katastrophenschutzbehörde FEMA, als auch vom Ingenieur Charles Clifton vertreten. Während allerdings die FEMA immer auch das Feuer als eine der Einsturzursachen sah, waren nach Ansicht von Clifton nur die zu schwachen Verbindungen zwischen den Geschossen und der Außenhülle der Auslöser. Für ihn lief der Einsturz folgendermaßen ab: Nach dem Aufprall des Flugzeugs begannen, angefangen bei den oberen Stockwerken, die Geschossaufhängungen der Überlastung nachzugeben und zu brechen. Die dadurch haltlosen Geschosse prallten mit voller Wucht auf die darunterliegenden Etagen und brachten diese so ebenfalls zum Einsturz. In schneller Folge setzte sich diese Kettenreaktion von oben nach unten fort und ließ den Turm förmlich implodieren.
Um diese Theorie zu prüfen, werteten die Ingenieure der Northwestern Universität die Videoaufzeichnungen und Fotos des Einsturzes noch einmal genau aus. Dabei stießen sie auf Bilder, die zeigten, dass die Stahlsäulen der Außenhülle unmittelbar vor dem Kollaps um bis zu einen Meter weit nach innen gebogen waren. Ein klarer Widerspruch zu Cliftons Theorie: Denn solche Verformungen konnten nur durch extrem starke Zugkräfte an den Verbindungsstellen zwischen Geschossen und Außenwand entstanden sein. Die Zwischendecken im Innenraum müssen zu diesem Zeitpunkt zwar an Stabilität verloren haben und hingen vermutlich stark durch, waren aber noch immer mit den Säulen der äußeren Tragkonstruktion verbunden. Wären diese Verbindungsstellen dagegen vorzeitig gebrochen, wie es Clifton postulierte, hätte dies die Säulen sogar entlastet.
Nadja Podbregar
Stand: 07.09.2011