Mit dem Wachstum über Hyphen sind die Ausbreitungsmöglichkeiten der Pilze noch lange nicht erschöpft. Gerade im Falle ungünstiger Umweltverhältnisse garantiert eine weitere Strategie ihr Überleben: Viele Pilzarten können spezielle Überdauerungs- und Ausbreitungsformen, die Sporen, erzeugen. Diese entstehen entweder als Folge einer sexuellen Vermehrung, oder aber, wie in den meisten Fällen, asexuell, ohne die „Mithilfe“ eines Partners. Die resultierenden Pilzsporen sind gegen nahezu alles gewappnet. Sie überstehen Austrocknung, Hitze und Kälte problemlos und können jahrelang im Boden überdauern.
Feuer bereitet den Weg
Einige Pilzarten werden sogar erst durch eine Katastrophe so richtig munter: die so genannten Feuerpilze oder Phoenikoide. Einige von ihnen brauchen den Reiz der Hitze, damit ihre im Boden ruhenden Sporen überhaupt aktiv werden, andere profitieren von der Tatsache, dass das Feuer die obersten Bodenschichten quasi sterilisiert und damit einen Großteil ihrer lästigen bakteriellen Konkurrenten beseitigt.
Letzteres nutzen beispielsweise Pilze der Gattung Pyronema: Nach Waldbränden in Nordamerika und Australien sind die frisch verbrannten Flächen meist über und über mit den winzigen, nur rund einen Millimeter großen, leuchtend pinkfarbenen Fruchtkörpern dieser Pilze bedeckt. Nach neuesten Erkenntnissen profitieren sie sogar gleich doppelt von der verbrannten Erde: Zum einen ist sie nahezu bakterienfrei, zum anderen aber hat das Feuer die Bodenchemie in den alkalischen Bereich verschoben – und genau das liebt Pyronema sehr.
Die Sporenschleudern
Viele Pilze nutzen ihre Sporen auch, um sich über größere Entfernungen hinweg auszubreiten – weiter, als es mit den Pilzfäden jemals möglich wäre. Eine Art Druckschleuder nutzt beispielsweise Pilobolus, ein auf Kuhdung lebender Pilz, für seine Sporenverbreitung. Der steigende Flüssigkeitsdruck im Stängel seiner zarten, durchsichtigen Fruchtkörper sprengt die mit schwarzen Sporen besetzte Spitze des Pilzes ab und katapultiert sie mit einer Geschwindigkeit von rund 10,8 Metern pro Sekunde immerhin bis zu 2,5 Meter weit.
Noch größere Entfernungen erreicht der Kugelschneller Sphaerobolus stellatus, im englischen auch „Cannonball Fungus“ genannt: Der dottergelbe Fruchtkörper dieses auf Holz lebenden Pilzes ist zwar nur zwei Millimeter klein, seine Sporenpakete schleudert er jedoch bis zu sechs Meter weit. Im unreifen Zustand einer geschlossenen Kugel gleichend, platzen die Fruchtkörper später auf und das gesamte Innere der Kugel wölbt sich explosiv nach oben. Die innere Wand der Kugel stülpt sich dabei um wie ein Handschuh und schießt das Sporenpaket in Richtung des Lichts.
Die bräunlich-dunklen Sporen haften selbst an glatten Oberflächen und bedecken im Extremfall Wände, Fenster oder Jalousien mit einem gesprenkelten, schwer zu entfernenden Überzug. Hier können sie lange Zeit überdauern, ohne ihre Keimkraft zu verlieren. Treffen sie jedoch auf einen vielversprechenden, nahrungsreichen Untergrund – das Holz eines ungenügend geschützten Fensterrahmens oder einen Waldboden – dann sind die Sporen in ihrem Element. Nach kurzer Zeit schon keimen sie aus, bilden Hyphen und der Kreislauf des Pilzlebens beginnt von vorne…
Stand: 19.10.2007