Mikroben, Algen, Pilze, Pflanzen und Gliederfüßer: So langsam füllt sich das Land auf dieser Zeitreise. Die letzte große Gruppe von Lebewesen, die aus dem Wasser emporstieg und sich für ein Leben dort wappnete, ist jene, zu der auch wir Menschen gehören: die Wirbeltiere. Seit fast einem Jahrhundert ist die Wissenschaft bereits auf der Suche nach dem mysteriösen Stammvater der Landwirbeltiere, dem gemeinsamen Vorfahren aller Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere.
Fischige Verwandte
Unser fischartiger Vorfahre, der einst sein aquatisches Leben hinter sich ließ, gehörte zur Gruppe der sogenannten Sarcopterygii, was so viel wie Muskel- oder Fleischflosser bedeutet. Diese Tiere lebten in flachen, ufernahen Gewässern und besaßen zusätzlich zu ihren Kiemen auch Lungen, mit denen sie Luft atmen konnten. Unser „Ur-Großvater“ hatte einen flachen Schädel und seine Augen befanden sich an der Oberseite des Kopfes. Dadurch konnte er bei der Nahrungssuche nach oben schauen. „Der eine“, erste Landwirbeltier-Vorfahre wurde zwar bislang noch nicht gefunden, dafür aber eine Reihe von Kandidaten, die die Entwicklung vom Fisch zum Landlebewesen nachzeichnen.
Einer dieser Kandidaten ist die Übergangsform Tiktaalik roseae, die vor 375 Millionen Jahren lebte. Trotz seiner aquatischen Lebensweise besaß das Tier bereits typische Merkmale von Landwirbeltieren: Es hatte einen mobilen Hals, einen robusten Brustkorb, primitive Lungen und fleischige Brustflossen. Sie entsprangen kräftigen Schultern, besaßen Ellbogen und sogar Teile von Handgelenken. „Vermutlich konnte Tiktaalik mit seinen speziellen Flossen auf dem Grund laufen“, sagt der Entdecker des Fossils, Neil Shubin von der University of Chicago.
Nicht nur auf dem Gewässergrund, sondern tatsächlich an Land bewegte sich wahrscheinlich der rund eineinhalb Meter lange Ichthyostega fort. Seine Flossen waren zu kräftigen, paddelartigen Beinen umgewandelt. Statt auf vier Beinen und ähnlich wie heutige Salamander zu laufen – was lange Zeit angenommen wurde –, robbte Ichthyostega vor 360 Millionen Jahre aber wohl eher wie ein Seehund an Land. Seine Hüften und Hinterflossen waren für einen echten Vierbeinergang schlicht noch nicht beweglich genug. Er verbrachte vermutlich noch deutlich mehr Zeit im Wasser als an Land.
Fußspuren am Strand
Tiktaalik und Ichthyostega vermitteln den Eindruck, dass sich der Landgang der Fleischflosser erst über lange Zeit entwickeln musste und selbst vor 360 Millionen Jahren noch nicht perfekt klappte. Doch der Schein trügt, denn im Jahr 2010 haben Wissenschaftler in Polen die 395 Millionen Jahre alten Fußabdrücke eines vierbeinigen Landtieres entdeckt. Es muss rund 2,50 Meter lang gewesen sein. Doch wie ist das möglich? Welches Tier hinterließ die Abdrücke? Bis heute bleiben diese Fragen ungeklärt.
Fest steht nur, dass die Abdrücke an einem Meeresstrand entstanden sind. Das widerlegt die einstige Annahme, dass Fleischflosser vom Süßwasser aus an Land gingen. Der Ursprung der Landwirbeltiere, unser Ursprung, ist also immer noch nicht final geklärt und künftige Entdeckungen haben das Potenzial, allerhand neue Erkenntnisse über den ersten Landgang zu Tage zu fördern.